Die Echten sind befreit – Praktikanten: Wolfgang Strba, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt, wann Arbeitgeber den Mindestlohn zahlen müssen

Das Mindestlohngesetz (Mi-LoG) ist Fakt und seit Jahresbeginn in Kraft. Arbeitgeber müssen seitdem einen Mindestlohn in Höhe von brutto 8,50 Euro pro Stunde zahlen – in vielen Fällen auch an Praktikanten, die bislang nicht selten eine Vergütung erhalten, die unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegt. Eine Praxis, die bei den meisten Agenturen, aber auch zahlreichen Medienunternehmen die Regel war. Wolfgang Strba, Fachanwalt für Arbeitsrecht, schildert, in welchen Fällen Praktikanten einen Anspruch auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestvergütung geltend machen können. Soweit ein Anspruch auf Mindestlohn besteht, gilt dies unabhängig davon, ob das Praktikumsverhältnis vor oder nach dem Jahreswechsel begonnen wurde. Denn es besteht kein Vertrauensschutz in der Form, dass eine vor dem 2015 vereinbarte, geringere Vergütung auch nach dem 31. Dezember 2014 weitergezahlt werden darf.

„Unechte“ Praktikanten

Das MiLoG gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 Euro haben somit jedenfalls solche „Praktikanten“, bei deren Tätigkeit nicht der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten im Vordergrund steht, sondern die Erledigung im Betrieb anfallender Arbeiten. Bei ihnen handelt es sich, unabhängig von ihrer Bezeichnung, um Arbeitnehmer.

„Echte“ Praktikanten

Laut MiLoG (§ 22) stehen den Arbeitnehmern Praktikanten im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG, § 26) gleich. Hierunter sind Personen zu verstehen, die für eine begrenzte Dauer in einem Betrieb tätig sind, um praktische Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben. Somit haben auch „echte“ Praktikanten grundsätzlich einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Der Gesetzgeber hat jedoch bestimmte Gruppen von Praktikanten vom Anwendungsbereich des MiLoG ausgenommen. Hintergrund ist, dass er die Bereitschaft von Unternehmen, Praktika anzubieten, nicht gefährden wollte. Es gibt vier Ausnahmetatbestände:

  • Pflichtpraktika (§ 22 Abs.1 S. 2 Nr. 1 MiLoG) Befreit vom Mindestlohn sind die sogenannten Pflichtpraktika. Bei vielen Studiengängen gehören sie dazu und sind in der Studien- beziehungsweise Prüfungsordnung der Hochschulen und Universitäten vorgeschrieben, um zum Studium zugelassen zu werden beziehungsweise es abzuschließen. Auch Pflichtpraktika im Rahmen dualer Studiengänge zählen hierzu. Dass während eines Pflichtpraktikums kein Mindestlohn gezahlt werden muss, gilt unabhängig von dessen zeitlicher Dauer. Dies unterscheidet diesen Ausnahmetatbestand von den beiden folgenden.
  • Praktikum zur Orientierung (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 MiLoG) Dient das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums, unterfällt es nicht der Mindestlohnpflicht, wenn es längstens drei Monate dauert. Davon werden insbesondere Fälle umfasst, in denen der Praktikant vor der Wahl eines Studienganges oder der Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung durch einen Einblick in die Praxis in Erfahrung bringen will, ob der angestrebte Beruf seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Aus dem Gesetz ergibt sich allerdings nicht, welche Folgen es hat, wenn von Beginn an eine Praktikumsdauer von mehr als drei Monaten vereinbart wird. Gilt der Mindestlohn dann bereits ab dem ersten Tag oder erst ab Beginn des vierten Monats? Die Frage wird sich wohl erst im Laufe der Zeit klären. Noch gibt es keine einheitliche Meinung unter den Juristen.
  • Studien- und ausbildungsbegleitendes Praktikum (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 MiLoG) Bei freiwilligen Praktika, die eine Berufs oder Hochschulausbildung begleiten, unterliegt das Unternehmen bei einer Praktikumsdauer von bis zu drei Monaten ebenfalls nicht der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns. „Begleitend“ bedeutet, dass ein inhaltlicher Bezug des Praktikums zur Ausbildung bestehen muss. Wichtig für Arbeitgeber und Praktikanten ist dabei allerdings, dass der Anspruch auf den Mindestlohn laut Gesetz nur dann ausgeschlossen ist, wenn „nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat“. Bei einem zweiten Praktikum im selben Unternehmen muss dieses den Mindestlohn zahlen, selbst wenn die Hospitanz nicht länger als drei Monate dauert. Dass das Gesetz von einem „solchen Praktikumsverhältnis“ spricht, dürfte wie folgt zu verstehen sein: Ein zweites, studienbeziehungsweise ausbildungsbegleitendes Praktikum löst nur dann einen Anspruch auf den Mindestlohn aus, wenn es sich beim ersten Praktikum ebenfalls um ein begleitendes gehandelt hat. Unschädlich dürfte hingegen ein vorausgegangenes Pflichtpraktikum beziehungsweise Praktikum zur Orientierung sein.
  • Einstiegsqualifizierung und Berufsausbildungsvorbereitung (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 MiLoG) Bedeutsam ist auch, dass Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifizierung (§ 54 a SGB III) oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung (§§ 68 bis 70 BBiG) teilnehmen, keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen zur Unterstützung von Personen, die Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeits- oder Ausbildungsmarkt haben.

Praktika nach Studium und Berufsausbildung

Ein Praktikant, der seine Ausbildung beziehungsweise sein Studium abgeschlossen hat und im Rahmen eines Praktikums im erlernten Beruf weitergebildet werden soll, hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Einer der oben genannten Ausnahmefälle ist hier nicht gegeben. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Mitarbeiter, die ihre Ausbildung beendet haben, im Praktikum eine unangemessen niedrige Vergütung erhalten. Dies könnte das Ende der „Generation Praktikum“ bedeuten.

Schriftlicher Praktikumsvertrag erforderlich

Eine mündliche Vereinbarung reicht nicht. Laut dem Nachweisgesetz (NachwG, § 2 Abs. 1 a) muss das Unternehmen den Inhalt des Praktikumsvertrages schriftlich niederlegen und die unterzeichnete Niederschrift dem Praktikanten aushändigen. Aufzunehmen sind: Name und die Anschrift der Vertragsparteien, die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele, Beginn und Dauer des Praktikums, Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs und ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.

Auswirkungen von Verstößen gegen das MiLoG

Zahlt das Unternehmen entgegen einer bestehenden Verpflichtung den Mindestlohn nicht, kann der Praktikant seinen Anspruch innerhalb einer Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen. Für den Fall, dass mit dem Praktikanten die Geltung einer Ausschlussfrist vereinbart wurde, so soll diese in Bezug auf den Mindestlohn keine Wirksamkeit besitzen. Es wäre demnach nicht möglich, durch eine Regelung im Praktikumsvertrag, wonach Ansprüche des Praktikanten verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer kurzen Frist geltend gemacht werden, Lohnnachforderungen, die erst nach Ende der Ausschlussfrist geltend gemacht werden, zu vermeiden. Wird der geschuldete Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt, so droht dem Unternehmen die Verhängung einer Geldbuße von bis zu 500000 Euro. In Anbetracht dessen sollten Arbeitgeber vor der Begründung von Praktikumsverhältnissen prüfen, ob hierdurch eine Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes ausgelöst wird und sich bei Bedarf rechtlich beraten lassen.