Die Corona-Pandemie und das Arbeitsrecht

Hinweis

Wir weisen darauf hin, dass es sich bei diesem Beitrag lediglich um eine allgemeine Information und nicht um eine verbindliche Rechtsberatung handelt. Für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit übernehmen wir keine Gewähr.


Einführung

Die aktuelle Krisensituation stellt Unternehmen und ihre Mitarbeiter in vielen Beziehungen vor erhebliche Herausforderungen. In diesem Zusammenhang ergeben sich auch diverse arbeitsrechtliche Fragen. Das vorrangige Ziel von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsrat sollte es selbstverständlich sein, für alle Seiten tragfähige, vernünftige und praktische Lösungen zu finden, um gemeinsam die schwierige Lage durchzustehen. Dies wird unserer Einschätzung nach dadurch erleichtert, dass die Beteiligten ihre Rechte und Pflichten kennen. Hierzu wollen wir mit den folgenden Ausführungen eine Hilfestellung geben. Hierbei müssen wir uns auf einige wichtige Fragen beschränken.


1. Arbeitsausfall wegen notwendiger Kinderbetreuung und Auswirkungen auf das Gehalt

Wegen der Schließung von Schulen und Kitas sehen sich viele Arbeitnehmer mit der Situation konfrontiert, dass es keine außerhäusliche Kinderbetreuung mehr gibt und sie daher zu Hause bleiben müssen. Haben Sie während der hierdurch bedingten Abwesenheit von der Arbeit trotzdem Anspruch auf Ihr Gehalt? Es gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, von dem es jedoch Ausnahmen gibt. Gemäß § 616 BGB verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ daran verhindert wird, seine Arbeitsleistung zu bringen. Hierzu gehört grundsätzlich auch der Fall der notwendigen Kinderbetreuung. Abgesehen davon, dass der Anspruch nach § 616 BGB von verschiedenen Voraussetzungen abhängig ist, die nicht immer erfüllt sein werden, hilft er, selbst wenn er besteht, nur für einen kurzen Zeitraum. So geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer Pressemitteilung davon aus, dass der Anspruch in der Regel auf zwei bis drei Tage begrenzt sei. Hierzu ist anzumerken, dass die Meinungen darüber, wie lange der Anspruch besteht, auseinandergehen und die Ansicht des Ministeriums rechtlich nicht verbindlich ist.

Der Gesetzgeber hat daher beschlossen, betroffenen Eltern zu helfen. Durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes wird die Möglichkeit geschaffen, dass ein Elternteil, der mangels Kinderbetreuung nicht arbeiten kann und daher einen Verdienstausfall erleidet, unter Umständen vom Staat 67 % seines Nettoeinkommens bekommt. Dieser Anspruch ist aber als letzte Möglichkeit für den Fall vorgesehen, dass andere Lösungen (z. B. Anspruch auf Notbetreuung, Möglichkeit der Kinderbetreuung durch den nichterwerbstätigen Partner, Arbeit im Homeoffice) nicht in Betracht kommen. Der Anspruch ist der Dauer nach auf maximal sechs Wochen und der Höhe nach auf
€ 2016,00 pro Monat begrenzt. Die Zahlung erfolgt durch den Arbeitgeber, der einen Erstattungsanspruch gegen den Staat hat. Betroffene Selbständige sollen ebenfalls die Möglichkeit erhalten, die staatliche Leistung für sich in Anspruch zu nehmen.


2. Arbeit im Homeoffice/mobiles Arbeiten

In der gegenwärtigen Situation sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Fällen, in denen die Art der Arbeit dies zulässt und die technischen Voraussetzungen geschaffen werden können, auf eine Tätigkeit im Home-Office bzw. mobiles Arbeiten verständigen. Aber wie stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Arbeitgeber diese Möglichkeit nicht bieten oder der Arbeitnehmer sie nicht nutzen will? Zumindest in rechtlicher Hinsicht gibt es keine Probleme, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeit im Home-Office bzw. die Befugnis des Arbeitgebers, diese anzuordnen, im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag festgeschrieben wurde. Anderenfalls gilt Folgendes: Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Tätigkeit im Home-Office gewährt wird. Daran hat die aktuelle Situation nichts geändert. Weigert er sich, in den Betrieb zu kommen, verliert er seinen Vergütungsanspruch und riskiert arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber darf die Arbeit im Home-Office nicht anordnen, sein Weisungsrecht reicht nicht bis in die Wohnung. Verweigert er dem Arbeitnehmer den Zugang zum Betrieb, muss er gleichwohl dessen Vergütung weitergewähren.


3. Anspruch auf Gehalt trotz Betriebseinstellung?

Stellt der Arbeitgeber, sei es aus eigenem Entschluss, sei es aufgrund staatlicher Anordnung, wegen der aktuellen Situation seinen Betrieb vorübergehend ein und nimmt die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter nicht mehr entgegen, stellt sich die Frage, ob ihnen das Gehalt gleichwohl weiterhin zu gewähren ist. Das dürfte der Fall sein. Der Arbeitgeber trägt das sogenannte „Betriebsrisiko“. Das bedeutet, dass Umstände, die dazu führen, dass die Betriebstätigkeit nicht fortgeführt werden kann, allein zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Er muss somit, obwohl er die Arbeitskraft nicht mehr nutzen kann, weiterhin Gehalt zahlen. Dies ist zum Beispiel anerkannt für Fälle wie Zerstörung des Betriebes durch Brand, Ausfall von Maschinen oder Rohstoffmangel. Im Fall einer Betriebseinstellung aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Corona-Krise stehen, dürfte nichts anderes gelten. Das ist aber nicht ganz unumstritten. Nach Auffassung Einiger soll eine Pandemie nicht anders behandelt werden als andere „allgemeine Gefahrenlagen“ wie Krieg, innere Unruhen oder Terroranschläge, die nicht zum vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko zählen.


4. Der Arbeitnehmer trägt das Wegerisiko

Der Arbeitnehmer muss dafür Sorge tragen, dass er von seiner Wohnung bzw. seinem sonstigen Aufenthaltsort an den Arbeitsplatz gelangt und dort zum vorgeschriebenen Arbeitsbeginn ankommt. Er trägt das sogenannte „Wegerisiko“. Er kann sich somit in der aktuellen Situation z. B. nicht darauf berufen, ein Auto stehe ihm nicht zur Verfügung und die Fahrt zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmittel sei ihm wegen der Ansteckungsgefahr zu riskant. Auch den, der sich im Ausland befindet, weil er dort Urlaub gemacht hat und dessen Rückflug nicht stattfindet, trifft das Wegerisiko. Folge ist, dass er für die deshalb nicht geleistete Arbeitszeit keinen Vergütungsanspruch hat.


5. Angst entbindet nicht von der Pflicht, zur Arbeit zu erscheinen

Arbeitnehmer könnten auf die Idee kommen, dass sie sich wegen des Kontakts zu Kollegen und Kunden, die ja unter Umständen Überträger des Corona-Virus sind, weigern könnten, zur Arbeit zu erscheinen. Das wäre jedoch ein Irrtum. Die bloße Angst vor Ansteckung entbindet nicht von der Arbeitsplicht. Anders kann es sich verhalten, wenn der Arbeitgeber es versäumt, die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Dann hat der Arbeitnehmer unter Umständen das Recht, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, ohne seinen Vergütungsanspruch zu verlieren.


6. Vergütungsanspruch bei COVID 19-Erkrankung bzw. bei Infektionsverdacht?

Führt die Infektion mit dem Virus zu Krankheitssymptomen, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben, besteht selbstverständlich, wie bei anderen Krankheiten auch, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber nach den hierfür geltenden Vorschriften.

Besteht hingegen lediglich ein konkreter Verdacht auf eine Infektion, ohne dass der Betroffene in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist, finden die Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall keine Anwendung. In diesem Fall sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, soweit eine Tätigkeit im Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten nicht möglich ist, auf eine bezahlte Freistellung einigen, um andere Personen, mit denen der Betroffene am Arbeitsplatz Kontakt hätte, nicht zu gefährden. Sollte der Arbeitnehmer mit der Freistellung nicht einverstanden sein, kann der Arbeitgeber unter Umständen mit Rücksicht auf den Schutz Anderer berechtigt und auch verpflichtet sein, ihn gegen seinen Willen –unter Fortzahlung der Vergütung – freizustellen.

Wenn der Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückkehrt, darf der Arbeitgeber ihn wohl nicht fragen, wo genau er war, aber – allgemeiner – ob er sich in einem Corona-Risikogebiet aufgehalten habe.


7. Vergütung bei behördlichem Verbot der Berufsausübung bzw. angeordneter Quarantäne

Besonderheiten gilt es zu beachten, wenn die Gesundheitsbehörde, wozu sie nach dem IfSG (Infektionsschutzgesetz) berechtigt ist, einem Kranken oder Krankheitsverdächtigen das Verbot auferlegt, seine berufliche Tätigkeit auszuüben oder eine Quarantäne anordnet. Der Betroffene hat dann Anspruch auf Entschädigung. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls (d. h. des Nettogehalts) gewährt, anschließend in Höhe des Krankengeldes. Der Arbeitgeber ist hinsichtlich dieser Zahlungen vorleistungspflichtig, d. h. er muss sie für die Behörde an den Arbeitnehmer auszahlen. Er hat aber einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen die öffentliche Hand. Die Erstattung erfolgt nur auf Antrag hin, der innerhalb einer bestimmten Frist gestellt werden muss (vgl. § 56 IfSG).

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt

BAG vom 22.03.2017 (10 AZR 448/15): „Salvatorische Klausel“ vermag nichtiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht zu heilen.

Will ein Arbeitgeber verhindern, dass einer seiner Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Unternehmen eine Konkurrenztätigkeit aufnimmt, so steht ihm hierfür das Instrument des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes (geregelt in den §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch [HGB]) zur Verfügung. Die Wirksamkeit eines solchen Verbotes ist davon abhängig, dass der Arbeitgeber eine sogenannte „Karenzentschädigung“, d. h. eine Gegenleistung dafür, dass der ehemalige Mitarbeiter in seiner beruflichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt ist, zusagt. Fehlt die Zusage einer Karenzentschädigung, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nichtig.
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Urlaubsabgeltungsansprüche nach Elternzeit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

In einem am 28.04.2018 veröffentlichten Artikel haben wir an einem Beispielsfall das Entstehen von Urlaubsansprüchen in der Elternzeit und Urlaubsabgeltungsansprüchen nach der Elternzeit erläutert.  Arbeitnehmer können solche Ansprüche selbst dann erwerben, wenn sie nicht arbeiten. Hier ist eine Zusammenfassung:
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BAG vom 27.04.2017 (2 AZR 67/17): Anspruch auf Regelaltersrente kann bei der Sozialauswahl zu geringerer Schutzbedürftigkeit führen

Entschließt sich ein Arbeitgeber wegen eines Rückgangs des Beschäftigungsbedarfes zu einer betriebsbedingten Kündigung, so muss er laut § 1 Abs.3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine Sozialauswahl durchführen.

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BAG vom 21.02.2017 (1 AZR 367/15): Arbeitgeber ist gegenüber Arbeitnehmer nicht verpflichtet, bei verweigerter Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung ein gerichtliches Ersetzungsverfahren durchzuführen

Gemäß § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung form- und fristgerecht, so darf der Arbeitgeber die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen. Ihm bleibt dann nur die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht zu beantragen, dass dieses durch gerichtliche Entscheidung die Zustimmung des Betriebsrates ersetzt.
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