Am 04.09.2008 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Widerspruch des Betriebsrates gegen eine Kündigung und seine Folgen“ beschäftigt.
Herr N. ist als Maurer in einem größeren Bauunternehmen tätig, in dem es auch einen Betriebsrat gibt. Aufgrund der schlechten Auftragslage entschließt sich der Arbeitgeber, Herrn N. betriebsbedingt und fristgerecht zu kündigen. Am 6. August informiert der Arbeitgeber den Betriebsrat und bittet um Zustimmung. Der Betriebsrat widerspricht am 11. August mit der Begründung, es gebe einen jüngeren Kollegen als Herrn N., der außerdem kürzer als dieser im Betrieb sei. Der Arbeitgeber spricht dennoch am 15. August die Kündigung aus. Herr N. fragt, ob die Kündigung wirksam ist.
Besteht in einem Unternehmen ein Betriebsrat, so ist dieser vom Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung zwingend anzuhören (§ 102 Betriebsverfassungsgesetz). Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung. Der Betriebsrat hat im Fall der außerordentlichen Kündigung drei Tage und im Fall der ordentlichen Kündigung eine Woche Zeit, sich zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern. Er kann der Kündigung entweder zustimmen, Bedenken anmelden, ihr widersprechen oder sich gar nicht äußern. Im letzten Fall gilt die Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf der Anhörungsfrist als erteilt. Im vorliegenden Fall, in dem eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, hat der Betriebsrat der Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist widersprochen. Damit ist die Kündigung jedoch nicht ohne weiteres unwirksam.
Besteht ein Kündigungsgrund, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, obwohl der Betriebsrat Widerspruch eingelegt hat. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Anhörung ordnungsgemäß erfolgte. Der Arbeitgeber muss seine Gründe für die Kündigung hinreichend konkret darlegen und bei der betriebsbedingten Kündigung die Sozialauswahl darstellen. Ist die Anhörung unzureichend, so führt dies zur Unwirksamkeit der Kündigung, selbst dann, wenn der Betriebsrat ihr zustimmt.
Im vorliegenden Fall könnte unter Umständen ein betriebsbedingter Kündigungsgrund infolge der schlechten Auftragslage gegeben sein. Entscheidend ist dann, ob die Kündigung wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl keinen Bestand hat. Ob die Sozialauswahl im Fall von Herrn N. fehlerhaft ist, kann nicht abschließend beurteilt werden. Außer der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter sind nämlich noch weitere Umstände zu berücksichtigen, etwa Unterhaltspflichten der betroffenen Arbeitnehmer.
Auch wenn der Widerspruch die etwaige Wirksamkeit der Kündigung nicht beseitigt, so wirkt er sich wie folgt aus: Erhebt Herr N. Kündigungsschutzklage, muss er auf sein Verlangen hin auch nach Ablauf der Kündigungsfrist so lange weiterbeschäftigt (und vergütet) werden, bis der Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen ist. Das kann Monate, wenn nicht Jahre dauern. Der Widerspruch kann somit zu einer erheblichen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führen. Selbst wenn später vom Arbeitsgericht festgestellt werden sollte, dass die Kündigung wirksam sei, muss der Arbeitnehmer das nach Ablauf der Kündigungsfrist bezogene Gehalt nicht zurückzahlen. Unter bestimmten Umständen kann sich jedoch der Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht von der Weiterbeschäftigungspflicht befreien lassen.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt