Am 05.12.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) nach billigem Ermessen des Arbeitgebers “ beschäftigt.
Frau R. arbeitet als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke. In ihrem Arbeitsvertrag ist geregelt, dass sie eine Weihnachtsgratifikation in der Höhe erhält, die ihr Arbeitgeber jährlich festsetzt. Der Arbeitsvertrag wurde Frau R. vor ihrer Einstellung vorgelegt, sie hat das Formular ohne weiteres unterschrieben. Nachdem das Weihnachtsgeld in den vergangenen Jahren jeweils 1000 Euro brutto betragen hatte, zahlte der Arbeitgeber unter Hinweis auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Apotheke in diesem Jahr nur 250 Euro brutto. Frau R. fragt, ob sie Anspruch auf eine Nachzahlung in Höhe 750 Euro habe.
Der Arbeitsvertrag gewährt Frau R. einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Die Höhe ist vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen festzulegen. Eine solche Vertragsklausel ist, wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. Januar 2013 entschieden hat, wirksam (Aktenzeichen 10 AZR 26/12, BAG). Für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gilt das “Transparenzgebot”. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein. Ein Verstoß hiergegen kann zur Unwirksamkeit führen.
Regelungen in Arbeitsverträgen, die nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt wurden, stellen AGB dar. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Nach Auffassung des BAG ist eine Vertragsklausel, die die Höhe des Weihnachtsgeldes in das Ermessen des Arbeitgebers stellt, nicht intransparent. AGB unterliegen außerdem einer Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Hierzu sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Das Recht des Arbeitgebers, die Höhe des Weihnachtsgeldes zu bestimmen, stelle, so das BAG, keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Begründet wird dies in erster Linie damit, dass das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vorsieht (§ 315 BGB). Demnach ist die Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei für die andere Seite nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.
Der Gläubiger, das heißt der Arbeitnehmer, kann die Entscheidung des Schuldners (Arbeitgeber) gerichtlich überprüfen lassen. Kommt das Arbeitsgericht zu der Überzeugung, die Bestimmung durch den Schuldner sei unbillig, kann es selbst die Höhe der Leistung bestimmen. Durch das Recht, die Entscheidung des Arbeitgebers gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls ersetzen zu lassen, werde der Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG ausreichend geschützt.
Frau R. hat somit die Möglichkeit, Klage vor dem Arbeitsgericht zu erheben. Sie kann unmittelbar auf Zahlung von 750 Euro klagen. Das Arbeitsgericht muss dann prüfen, ob die Zahlung von lediglich 250 Euro der Billigkeit entspricht. Sollte das Gericht dies verneinen, muss es entscheiden, was nach seiner Ansicht angemessen ist. Dies können weitere 750 Euro sein, aber auch weniger.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt