Urlaub nur gegen Leistung?

Am 03.01.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung  mit dem Thema „Urlaubsabgeltung für mehrere Jahre nach dauerhafter Erkrankung“ beschäftigt.

Herr W. ist seit fünf Jahren dauerhaft erkrankt und konnte nicht arbeiten. Eine Besserung seines Gesundheitszustandes ist nicht zu erwarten. Der Arbeitgeber von Herrn W. kündigte ihm daher zum 31. Dezember. Der Leser fragt, ob er einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für die letzten fünf Jahre habe. Der jährliche Urlaubsanspruch belief sich auf 20 Arbeitstage.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 7 Abs. 4, BUrlG) ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Dies gilt auch, wenn der Urlaub wegen einer Erkrankung nicht genommen werden konnte. Der gesetzliche Anspruch setzt keine Arbeitsleistung voraus. Der Anspruch auf den vollständigen Jahresurlaub wird auch dann erworben, wenn der Mitarbeiter in  einem Jahr an keinem Tag gearbeitet hat, weil er krank war.

Auf den ersten Blick scheint Herr W. somit einen Anspruch auf Abgeltung des  gesamten Urlaubs für die Jahre 2008 bis 2012, das heißt für 100 Tage, zu haben. Dies ist jedoch, wie aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts folgt (BAG, Urteil vom 7. August 2012, Aktenzeichen 9 AZR 353/10), nicht der Fall. Demnach  verfallen Urlaubansprüche 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres und damit am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres. Das BAG hat damit eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in deutsches Recht umgesetzt. Der EuGH ist der Auffassung, ein Recht auf unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen würde dem Zwecke des bezahlten Jahresurlaubs nicht entsprechen. Dieser besteht darin, dem Arbeitnehmer Erholung zu ermöglichen. Das unbegrenzte “Aufhäufen” von Urlaubstagen, die abzugelten wären, liefe auf die Schaffung eines (erheblichen) finanziellen Anspruchs hinaus, der mit dem eigentlichen Zweck des Urlaubs, der Erholung, nichts mehr zu tun hätte.

Somit ist der Urlaubanspruch von Herrn W. für das Jahr 2008 am 31. März 2010, für das Jahr 2009 am 31. März 2011 und für das Jahr 2010 am 31. März 2012 verfallen. Anders verhält es sich mit dem Urlaub für die Jahre 2011 und 2012. Der Anspruch hierauf ist noch nicht verfallen, weil seit Ende des jeweiligen Kalenderjahres noch keine 15 Monate vergangen sind. Herr W. hat somit einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für 40 Urlaubstage. Er sollte unbedingt beachten, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung tarif-und arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen kann. Werden diese versäumt, droht ein Verlust des Abgeltungsanspruchs. Daher sollte Herr W. seine Forderung schnellstmöglich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt