Schadensfall im Betrieb

Am 26.03.2009 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung  mit dem Thema „Haftung des Arbeitnehmers für von ihm verursachte Schäden“ beschäftigt.

Herr L. ist seit zehn Jahren als angestellter Kurierfahrer tätig. Vor kurzem war er mit seinem Dienstfahrzeug – zum ersten Mal – in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ihm war die Zigarette, die er sich gerade anzünden wollte, in den Fußraum gefallen. Herr L. bückte sich während der Fahrt danach. Deshalb nahm er nicht rechtzeitig wahr, dass das vor ihm befindliche Fahrzeug abbremste, um nach links abzubiegen. Trotz Vollbremsung konnte Herr L. einen Auffahrunfall nicht vermeiden. Am Fahrzeug seines Arbeitgebers entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 8000 Euro. Die Vollkaskoversicherung des Arbeitgebers, die den Schaden reguliert hatte, will nun bei Herrn L. Regress nehmen. Herr L. ist verzweifelt. Sein geringes Gehalt reicht kaum, um sich und seine Familie zu versorgen. Er verfügt über kein nennenswertes Vermögen. Den geforderten Betrag kann er daher nicht aufbringen.

Ob der Versicherer einen Anspruch gegen Herrn L. hat, hängt davon ab, ob sein Arbeitgeber den Ersatz des Schadens verlangen könnte. Die Vollkaskoversicherung kann nämlich nur insoweit Rückgriff beim Schädiger nehmen, als der Geschädigte selbst einen Anspruch gegen diese hat. Mit Regulierung des Schadens geht ein etwaiger Anspruch vom Geschädigten auf den Versicherer über. Maßgeblich ist somit, ob eine Schadensersatzpflicht seitens Herrn L. nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung besteht.

Die Arbeitnehmerhaftung für Sachschäden ist gesetzlich nicht gesondert geregelt. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen würde der Arbeitnehmer für Sachschäden, die er seinem Arbeitgeber oder einem Kollegen zufügt, bereits bei einfacher Fahrlässigkeit unbegrenzt haften.

Um den Arbeitnehmer vor dieser strengen Haftung und den unter Umständen existenzbedrohenden finanziellen Folgen zu schützen, haben die Arbeitsgerichte die besonderen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs geschaffen.

Demnach haftet der Arbeitnehmer im Grundsatz wie folgt: Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht, bei mittlerer findet eine anteilige Haftung statt, und bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz ist in der Regel eine volle Haftung gerechtfertigt. Soweit nicht besondere Umstände vorliegen, begründet das Bücken nach einem Gegenstand unter Abwendung vom Verkehrsgeschehen ein grob fahrlässiges Verhalten. Dies spricht für eine Haftung von Herrn L. für den gesamten Schaden.

Die Rechtsprechung schließt jedoch auch bei grober Fahrlässigkeit Haftungserleichterungen nicht generell aus, sondern verlangt eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Insbesondere ist dabei auf den Grad des Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Versicherbarkeit des Risikos, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die persönlichen Umstände (etwa Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse) und sein bisheriges Verhalten abzustellen.

Für eine Haftungsbegrenzung sprechen die im Verhältnis zum Gehalt große Schadenshöhe, die Unterhaltspflicht gegenüber Frau und Kind, die lange Betriebszugehörigkeit und die vorherige Unfallfreiheit. Wegen der Vielzahl der maßgeblichen Kriterien und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit prognostizieren, wie das Gericht im Streitfall letztlich entscheiden würde.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Arbeitsrecht in Frankfurt