Freistellung akzeptieren?

Am 19.02.2015 haben wir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Frage erläutert, ob ein Arbeitnehmer die einseitige, von seinem Arbeitgeber erklärte Freistellung von der Arbeit akzeptieren muss oder ob er sich hiergegen zur Wehr setzen kann.

Frau W. ist als angestellte Vermögensberaterin tätig. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr mit der Begründung, ihre Arbeit werde künftig von den Kollegen, die ebenfalls nicht ausgelastet seien, miterledigt werden können. Im Kündigungsschreiben heißt es, Frau W. werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt, das heißt über einen Zeitraum von vier Monaten, unter Fortzahlung ihres Gehaltes. Die Leserin ist hiermit nicht einverstanden. Sie befürchtet, von wichtigen Informationen abgeschnitten zu werden und den Kontakt zu ihren Kunden zu verlieren. Außerdem könnte durch die Freistellung bei Dritten der Eindruck entstehen, sie habe sich etwas zuschulden kommen lassen. Frau W. fragt, ob sie sich gegen die Freistellung wehren könne.

Nicht selten wird der Arbeitnehmer, der entlassen wurde, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Häufig ist er damit einverstanden, weil er das Gehalt weiter erhält, ohne hierfür arbeiten zu müssen. Es gibt jedoch Fälle, in denen die Freistellung den Interessen des Betroffenen widerspricht. Dann stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, den Mitarbeiter gegen dessen Willen freizustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung. Der Arbeitgeber muss somit nicht nur das Gehalt zahlen, sondern es auch ermöglichen, dass die Arbeit tatsächlich erbracht werden kann. Die Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung besteht also auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Der Beschäftigungsanspruch entfällt nur, wenn der Beschäftigung zwingende betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen und der Arbeitnehmer keine vorrangigen Interessen an der tatsächlichen Beschäftigung hat. Beispiele hierfür sind: Wegfall der Vertrauensgrundlage, fehlende Einsatzmöglichkeit (etwa Auftragsmangel), Gefahr des Geheimnisverrats oder Verdacht strafbarer Handlungen. In einigen Arbeitsverträgen finden sich Klauseln, die dem Arbeitgeber einseitig das Recht zur Freistellung einräumen.

Einige Arbeitsgerichte, so auch das Arbeitsgericht Frankfurt, halten solche Klauseln jedoch nur dann für wirksam, wenn sich die Freistellungsbefugnis auf die Fälle beschränkt, in denen ein sachlicher Grund besteht und die Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Besteht im Fall von Frau W. kein sachlicher Grund, der eine Freistellung rechtfertigt, so muss sie diese nicht hinnehmen. Notfalls hat die Leserin die Möglichkeit, den Anspruch mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchzusetzen. Sie kann unter Umständen den Erlass einer sogenannten einstweiligen Verfügung beantragen. Es handelt sich um ein Eilverfahren, das die Möglichkeit eröffnet, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, bevor die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Sollte das Arbeitsgericht zugunsten von Frau W. eine einstweilige Verfügung erlassen, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, sie zunächst weiterzubeschäftigen.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt