Am 22.01.2015 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Arbeitnehmer gemäß § 75 des Handelsgesetzbuches (HGB) im Fall der Kündigung von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot befreien kann.
Frau P. ist Chemieingenieurin in einem Unternehmen, in dem gerade ein umfangreicher Personalabbau läuft. Davon ist auch die Leserin betroffen. Weil Frau P. Aussicht auf eine lukrative Beschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen hat, will sie die zu erwartende Kündigung akzeptieren. Sie sieht sich jedoch durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in ihrem Arbeitsvertrag gehindert. Frau P. fragt, welche Möglichkeiten sie hat.
Eine Möglichkeit, die neue Stelle antreten zu können, besteht darin, sich mit dem Arbeitgeber auf eine Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu einigen. Weigert sich dieser, weil er die Konkurrenz nicht stärken will, hilft der Leserin die Vorschrift des § 75 Abs. 2 HGB. Diese Norm besagt: Im Fall einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer berechtigt, sich vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen. Abweichendes gilt jedoch in zwei Ausnahmefällen.
Zum Ersten besteht kein Lösungsrecht, wenn ein “erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers” Grund der Kündigung war. Hierunter fallen Gründe, die eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können. Eine betriebsbedingte Kündigung beruht nie auf der Person des Arbeitnehmers, weil sie ihren Grund im Wegfall des Arbeitsplatzes hat. Demnach stünde Frau P. grundsätzlich ein Lösungsrecht zu.
Die zweite Ausnahme: Der Arbeitgeber kann die Lösung vom Verbot nur noch abwenden, indem er sich bereit erklärt, für die Dauer des Wettbewerbsverbots die volle Vergütung, die Frau P. zuletzt erhalten hat, als sogenannte Karenzentschädigung weiterzuzahlen. Dies bedeutet eine erhebliche finanzielle Besserstellung des Arbeitnehmers, weil sich die Karenzentschädigung im Regelfall nur auf die Hälfte der letzten Vergütung beläuft. Die Zusage der vollen Karenzentschädigung muss gleichzeitig mit der Kündigung erfolgen. Wird sie erst danach abgegeben, behält der Arbeitnehmer das Recht, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen. Der Arbeitgeber kann somit nicht abwarten, ob der Arbeitnehmer von seinem Lösungsrecht Gebrauch macht, um ihm dann die Zusage zu erteilen.
Kündigt der Arbeitgeber von Frau P. betriebsbedingt, ohne zugleich die volle Karenzentschädigung anzubieten, so steht ihr das Recht zur Lösung zu. Frau P. muss unbedingt beachten, dass die Erklärung, sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden zu erachten, nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung abgegeben werden kann. Eine erst danach getätigte Erklärung entfaltet keine Wirkung. Die Lösung vom Wettbewerbsverbot muss zwingend in Schriftform erfolgen. Die einmal abgegebene Erklärung kann vom Arbeitnehmer nicht mehr einseitig widerrufen werden, er ist hieran gebunden.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt