Am 26.02.2016 haben wir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erläutert, dass die Erben eines Arbeitnehmers Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs, den dieser nicht mehr in Anspruch nehmen konnte, haben können.
Der Ehemann von Frau Z. war als Buchhalter in einem Unternehmen in Frankfurt tätig. Zu Beginn des Jahres 2016 starb er vollkommen unerwartet. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte der Mann noch keinen Urlaub genommen. Daher standen ihm zum Zeitpunkt seines Todes noch 30 Urlaubstage zu. Die Ehefrau ist durch den Verlust ihres Mannes auch in eine finanziell schwierige Lage geraten. Die Leserin fragt nun, ob sie als Alleinerbin auch einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf finanzielle Abgeltung der 30 Urlaubstage habe. Der Arbeitgeber verneint diesen Anspruch und beruft sich darauf, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers erloschen sei. Daher gebe es auch keine Anspruchsgrundlage für die Ehefrau als Erbin. Man könne der Frau den Anspruch des Mannes deshalb auch nicht finanziell abgelten.
Als Alleinerbin erwirbt Frau Z. kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) alle Ansprüche, die in der Person ihres Ehemannes entstanden sind. Ihre Forderung wäre somit berechtigt, wenn infolge des Todes ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden wäre. Das Bundesarbeitsgericht vertrat in der Vergangenheit stets die Auffassung, dass den Erben des Arbeitnehmers keine Urlaubsabgeltung zustehe, wenn das Arbeitsverhältnis des Erblassers durch den Tod beendet worden sei. Diese Rechtsprechung dürfte infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12.06.2014 (Aktenzeichen C 118/13) nicht mehr haltbar sein. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG (die unter anderem Vorgaben zum Urlaubsrecht der EU-Mitgliedstaaten enthält) einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Die Gerichte der Mitgliedstaaten und damit auch Deutschlands sind an diese Interpretation europäischen Rechts durch den EuGH gebunden und müssen ihr bei Auslegung des nationalen Rechts Rechnung tragen. Das Arbeitsgericht Berlin hat daraus mit Urteil vom 07.10.2015 (Aktenzeichen 56 Ca 10968/15) folgende Konsequenz gezogen: § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrIG) besagt, dass Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann, abzugelten ist. Diese Vorschrift sei, so das ArbG Berlin, dahingehend auszulegen, dass auch der Tod des Arbeitnehmers eine Beendigung im Sinne des § 7 Abs. 4 BUrIG sei. Somit sei der entstandene Urlaub, den der Arbeitnehmer wegen seines Todes nicht mehr in Anspruch nehmen kann, finanziell abzugelten. Dieser Abgeltungsanspruch steht den Erben zu. Es ist zu erwarten, dass sich andere Arbeitsgerichte dieser Rechtsprechung anschließen. Für die Leserin besteht also im Fall einer Klage gegen den Arbeitgeber ihres gestorbenen Mannes eine gewisse Aussicht auf Erfolg.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt