Am 15.01.2016 haben wir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erläutert, dass eine Ungleichbehandlung zu Lasten des Arbeitnehmers hinsichtlich der Länge der Kündigungsfrist und/oder der Zahl der Kündigungstermine unzulässig ist.
Frau V. ist seit zwei Jahren als angestellte Steuerberaterin tätig. Ihr Arbeitsvertrag sieht vor, dass sie das Arbeitsverhältnis jeweils nur zum 30.06. und zum 31.12. eines Jahres kündigen darf, und zwar mit einer Frist von einem Monat. Der Arbeitgeber hingegen darf laut Vertrag das Arbeitsverhältnis, unter Wahrung einer Frist von ebenfalls einem Monat, zum Ende eines jeden Monats kündigen. Frau V. hält diese Ungleichbehandlung für rechtswidrig. Weil sie eine neue Stelle in Aussicht hat, fragt die Leserin, ob sie bereits zum 31.01.2016 kündigen dürfe.
Gemäß Paragraph 622 Absatz 6 BGB darf für die Kündigung durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die durch den Arbeitgeber. Dieser Grundsatz scheint hier auf den ersten Blick nicht verletzt zu sein. Für beide Seiten gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat. Über den Wortlaut der erwähnten Regelung hinaus verbietet dieser aber auch eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Kündigungstermine. Hat der Arbeitnehmer nur die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu einer geringeren Zahl von Termine zu beenden als das Unternehmen, bedeutet dies in vielen Fällen eine längere Kündigungsfrist für jenen.
Entschließt sich Frau V. zum Beispiel, im Juli zu kündigen, könnte sie dies erst zum 31.12., während ihr Arbeitgeber im Juli die Kündigung schon zum 31.08. erklären könnte. Die Klausel im Arbeitsvertrag verstößt somit gegen das Gesetz. Es stellt sich die Frage, welche Regelung an ihre Stelle tritt. In Betracht kommt entweder, dass für beide Seiten eine Kündigung zum Ende jedes Monats möglich ist oder aber die Beschränkung der Kündigungstermine auch für den Arbeitgeber auf die beiden Termine im Jahr. Das Bundesarbeitsgericht hat für den Fall, dass unterschiedliche Kündigungsfristen gelten, entschieden, der Arbeitgeber müsse die längere Frist, wie sie im Vertrag für den Mitarbeiter vorgesehen ist, einhalten.
Überträgt man diese Rechtsprechung, so könnte der Arbeitgeber von Frau V. nur zum 30.06. oder zum 31.12. kündigen. Ob sich hingegen der Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis beenden will, ebenfalls an die längere Frist halten müsse oder ob für ihn die kürzere gelten, ließ das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen. Es sprechen gute Gründe dafür, dass es bei einer Kündigung durch Frau V. ebenfalls bei den zwei Terminen bleibt. Das Gesetz verbietet es nicht, die Zahl der Kündigungstermine zu reduzieren, solange dies auch für den Arbeitgeber gilt. Ein gesetzkonformes Ergebnis würde erreicht, indem beide Seite nur zu einem der beiden Termine kündigen dürften. Für Frau V. besteht somit das Risiko, dass eine Kündigung, die sie zum 31.01.2016 erklärt, erst zum 30.06.2016 wirkt. Tritt sie gleichwohl die neue Stelle früher an, macht sie sich unter Umständen schadensersatzpflichtig.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt