Am 28.06.2012 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Rücktritt vom Aufhebungsvertrag wegen Nichtzahlung der Abfindung infolge Insolvenz des Arbeitgebers?“ beschäftigt.
Herr L. war mehr als 20 Jahre als Facharbeiter in einem Maschinenbau-Unternehmen tätig. Im vergangenen Jahr wurden einem Teil der Belegschaft Aufhebungsverträge angeboten. Herr L. stimmte dem Angebot zu, um eine Abfindung in Höhe von 70 000 Euro zu erhalten. Laut Aufhebungsvertrag endete das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2012. Die Betriebsanlagen des Unternehmens wurden nach diesem Datum an einen Konkurrenten verkauft, der auch einen großen Teil der Belegschaft übernommen hat. Der ehemalige Arbeitgeber von Herrn L. hat im April 2012 einen Insolvenzantrag gestellt. Herr L. forderte ihn zur Zahlung der Abfindung auf. Der vorläufige Insolvenzverwalter weigerte sich jedoch, die Zustimmung zur Zahlung zu erteilen. Der Leser fragt, ob er einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung beim Betriebserwerber hat.
Wegen des Verkaufs der Betriebsmittel und der Übernahme eines Großteils der Belegschaft durch ein Konkurrenzunternehmen kam es zu einem Betriebsübergang. Das Arbeitsverhältnis mit Herrn L. wäre, wenn es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch bestanden hätte, kraft Gesetzes (§ 613 a BGB) auf den neuen Betriebsinhaber übergegangen.
Herr L. hat ein Interesse daran, dass wenigstens sein Arbeitsplatz erhalten bleibt, wenn er infolge der Insolvenz schon geringe Aussicht auf Erhalt der Abfindung hat. Dieses Ziel kann er jedoch nur dann erreichen, wenn die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend beseitigt wird. Nur dann bestand noch ein Arbeitsverhältnis, das auf den Betriebserwerber übergegangen ist. Entscheidend ist somit, ob die Nichtzahlung der Abfindung ein Rücktrittsrecht auslöst.
Grundsätzlich besteht das Recht, von einem Aufhebungsvertrag zurückzutreten, wenn die Gegenpartei ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt. Die geschuldete und nicht erbrachte Leistung des ehemaligen Arbeitgebers besteht in der Zahlung der vereinbarten Abfindung.
Gleichwohl ist Herr L. nicht zum Rücktritt berechtigt. Die Gegenseite war berechtigt, die Zahlung zu verweigern. Grund hierfür ist die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und die Anordnung des Insolvenzgerichts, dass Verfügungen über das Vermögen nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Dieser hat seine Zustimmung verweigert, so dass eine Zahlung nicht erfolgen durfte. Der Aufhebungsvertrag behält somit seine Wirksamkeit. Das Arbeitsverhältnis wurde beendet und ist nicht auf den Betriebserwerber übergegangen.
Herr L. kann seinen Abfindungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Tabelle anmelden. Ob und in welcher Höhe er eine Zahlung erhält, hängt davon ab, ob verwertbares Vermögen vorhanden ist und auf wie viele Gläubiger dieses Vermögen zu verteilen ist.
Bei Aufgabe des Arbeitsplatzes gegen Abfindung ist im Fall von finanziellen Schwierigkeiten des Arbeitgebers somit besondere Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollte frühzeitig anwaltlicher Rat eingeholt werden, um die mit Abschluss eines Aufhebungsvertrages verbundenen Risiken zu erkennen und zu vermeiden.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt