Am 11.10.2007 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Recht der Leiharbeitnehmers auf gleiche Bezahlung (equal pay) und gleiche Behandlung (equal treatment) “ beschäftigt.
Frau N. ist bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt. Sie wird bei verschiedenen Kunden als “Sekretärin” eingesetzt. Die bei den Entleihern festangestellten Mitarbeiter, die vergleichbare Aufgaben wie Frau N. wahrnehmen, verdienen deutlich mehr. Frau N. findet dies ungerecht und fragt, ob sie einen Anspruch gegen ihre Zeitarbeitsfirma auf eine höhere Vergütung hat.
Zeitarbeit (Arbeitnehmerüberlassung) zeichnet sich dadurch aus, dass ein Arbeitgeber (Verleiher) seine Mitarbeiter (Leiharbeitnehmer) einem Dritten (Entleiher) vorübergehend zur Verfügung stellt. Der Leiharbeitnehmer wird in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert und unterliegt dessen Weisungsrecht. Ein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher wird aber nicht geschlossen, Vertragspartner bleibt die Zeitarbeitsfirma, die ihn an ein Unternehmen verleiht. Von dieser bezieht er auch sein Gehalt.
Die Rechte und Pflichten der Beteiligten sind im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Seit 2004 sieht das Gesetz vor, dass Leiharbeitnehmer für die Zeit ihres Einsatzes bei einer Firma gegen den Verleiher, also die Zeitarbeitsfirma, einen Anspruch auf Gewährung der wesentlichen Arbeitsbedingungen haben, wie sie für vergleichbare Festangestellte im Unternehmen des Entleihers gelten. Dies gilt auch für das Gehalt. Dieser Grundsatz wird als “equal-treatment/equal-pay-Prinzip” (übersetzt: gleiche Behandlung/gleiche Bezahlung) bezeichnet.
In der Praxis hat dieser Grundsatz jedoch nur eine eingeschränkte Bedeutung. Das Gesetz erlaubt es nämlich, durch Tarifvertrag abweichende Regelungen zu treffen. Tarifverträge binden an sich nur die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft angehören, die den Vertrag geschlossen haben. Das AÜG geht jedoch darüber hinaus und erlaubt eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann, wenn im Arbeitsvertrag die Anwendung eines Tarifvertrages vereinbart wird.
Somit können auch für Leiharbeitnehmer, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, schlechtere Arbeitsbedingungen vereinbart werden als für die Stammbelegschaft. In der Zwischenzeit wurde eine Vielzahl von Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche geschlossen. Diese weichen in der Regel vom Prinzip der Gleichbehandlung ab und können für Leiharbeitnehmer schlechtere Arbeitsbedingungen vorsehen als für vergleichbare Stammarbeitnehmer.
Im Fall von Frau N. ist somit von Bedeutung, ob ihre geringere Bezahlung in einem Tarifvertrag geregelt ist, der für sie aufgrund einer Gewerkschaftszugehörigkeit gilt oder deshalb, weil sich der Arbeitsvertrag darauf bezieht. Nur wenn dies nicht der Fall sein sollte, hätte sie einen Anspruch auf die Vergütung, die auch die Stammbelegschaft hat.
Wolfgang Strba
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt