Der Eingangsbereich einer Wohnungseigentumsanlage kann mit einer Videokamera überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des Einzelnen überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorschriften (§ 6b BDSG) dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.05.2013, Az. V ZR 220/12
Der Bundesgerichtshof hatte sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit der Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage nach entsprechender Beschlussfassung der Gemeinschaft zu befassen.
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Berlin hatte den Eingangsbereich der Wohnanlage gerade frisch renovieren lassen, als dieser durch einen Farbanschlag verunreinigt wurde. Die Eigentümer beschlossen daraufhin, als temporäre Maßnahme eine Videoüberwachungsanlage im Eingangsbereich zu installieren, um Straftaten abzuwehren. Der Beschluss wurde nicht angefochten.
Rund zwei Jahre später stellte eine Eigentümerin auf der Wohnungseigentümerversammlung den Antrag, die Videoüberwachungsanlage wieder abzubauen. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt, insbesondere mit Blick darauf, dass die Aufzeichnungen „einen Überblick wegen Prostitution und bordellartigem Betrieb“ verschaffen könnten.
Der Bundesgerichtshof hat der klagenden Eigentümerin mit Urteil vom 24.05.2013 einen Anspruch auf sofortige Stilllegung der Überwachungsanlage zugesprochen, nicht jedoch einen Anspruch auf Abbau der Anlage.
Bereits in früheren Entscheidungen hatte der Bundesgerichtshof einem Wohnungseigentümer das Recht zuerkannt, sein Sondereigentum zu überwachen, wenn sich die Überwachung darauf beschränkt und kein benachbartes Sondereigentum oder öffentliche Flächen erfasst. In dem mit Urteil vom 08.04.2011, Az. V ZR 210/10, entschiedenen Fall hatte der Eigentümer in das Klingeltableau der Wohnanlage eine Videoanlage eingebaut, die es ihm mit einer kurzen Bildübertragung in seine Wohnung ermöglichte zu prüfen, wer die Klingel betätigt hat.
Der Senat hatte nun zu entscheiden, was für eine Überwachungsanlage gilt, die nach entsprechender Beschlussfassung unter Aufsicht der Gemeinschaft Teile des Gemeinschaftseigentums überwacht und das Geschehen aufzeichnet.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage dahingehend entschieden, dass eine Überwachungsanlage unter bestimmten Voraussetzungen errichtet und betrieben werden kann.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen baulichen Maßnahme (§§ 22 Abs. 1, 14 WEG) sei insbesondere, dass die Überwachung durch die Gemeinschaft erfolgt und die Voraussetzungen des § 6b BDSG eingehalten sind. Ferner müsse der Beschluss über die Videoüberwachung wie alle Beschlüsse der Gemeinschaft den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung nach §§ 15 Abs. 3, 21 Abs. 4 WEG entsprechen. Dabei müsse eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Überwachungsinteresse der Gemeinschaft und dem in Art. 2 GG manifestierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre erfolgen.
Wörtlich führt der Bundesgerichtshof aus:
„In Anlehnung an § 6b BDSG ist die Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft mit einer Aufzeichnung des Geschehens zulässig, wenn ein berechtigtes – konkret und verbindlich festzulegendes – Gemeinschaftsinteresse das Interesse des Einzelnen überwiegt.“ (Hervorhebung durch die Unterzeichner)
Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die Gemeinschaft Straftaten gegen das Gemeinschaftseigentum und die Bewohner sowie Besucher der Anlage abwehren möchte. Auch dann müsse der Umfang der Überwachung aber auf das Notwendige beschränkt werden. Die Regeln für den Betrieb der Überwachungsanlage müssten durch Beschluss der Wohnungseigentümer verbindlich festgelegt werden.
In dem zu entscheidenden Fall nahm der Bundesgerichtshof (schließlich) trotz des entgegenstehenden bestandskräftigen Beschlusses der WEG zur Errichtung der Anlage einen Stilllegungsanspruch der Klägerin an.
Die tatsächlichen Umstände hätten sich seit der Beschlussfassung so geändert, dass ein Festhalten an dem Beschluss treuwidrig sei. Die Videoüberwachung sei nur als temporäre Maßnahme geplant worden, zwischenzeitlich jedoch zur Dauerlösung geworden. Auch ginge es nicht mehr um die Aufklärung krimineller Handlungen, sondern um die Überwachung des Besucherverkehrs. Es fehle auch an weiteren Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Überwachung, insb. an einer vorherigen und verbindlichen Festlegung des Zwecks der Überwachung und an einer klaren Regelung über den Zugriff auf die Aufzeichnungen.
Rechtsanwältin Ellen Taufkirch
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Patrick Geiger