Verzicht auf Exklusivität

Am 28.03.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung  mit dem Thema „Verzicht des Arbeitgebers auf das Wettbewerbsverbot gemäß § 75 a HGB“ beschäftigt.

Herr N. ist als Chemiker tätig. Um zu verhindern, dass er sein Wissen der Konkurrenz zur Verfügung stellt, vereinbarte der Arbeitgeber mit ihm im Arbeitsvertrag ein Wettbewerbsverbot. Demnach darf Herr N. nach seinem Ausscheiden innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nicht für bestimmte, namentlich aufgeführte Unternehmen tätig werden. Im Gegenzug soll er eine sogenannte Karenzentschädigung in Höhe von 50 Prozent seiner Vergütung erhalten. Herr N. kündigte zum 31.Mai, weil er sich beruflich neu orientieren will. Bereits am 15. November 2012 hatte sein Arbeitgeber in einem Schreiben erklärt, er habe kein Interesse mehr an einem Wettbewerbsverbot,  weil die Kenntnisse des Herrn N. im Laufe der Zeit ihre Exklusivität verloren hätten. Der Leser fragt, welche Auswirkungen dies hat.

Das Gesetz (§ 75 a des Handelsgesetzbuches, HGB) räumt dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein, auf ein vereinbartes Wettbewerbsverbot zu verzichten. Dieses Recht ist allein vom Willen des Arbeitgebers abhängig und nicht an das Vorliegen rechtfertigender Gründe gebunden.

Die Verzichtserklärung muss in Schriftform erfolgen, anderenfalls ist sie unwirksam. Sie kann nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden, muss also spätestens am letzten Tag der Kündigungsfrist zugehen. Der Arbeitgeber von Herrn N. hat die Verzichtserklärung weit vor dem 31. Mai und somit rechtzeitig zugestellt. Eine zeitliche Grenze nach vorne besteht für den Verzicht nicht. Der Arbeitgeber hätte somit schon auf das Wettbewerbsverbot verzichten können, bevor es zur Kündigung durch Herrn N. kam.

Rechtsfolge des Verzichts ist, dass der Arbeitnehmer nicht mehr an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden ist. Herr N. könnte somit nach dem 31. Mai umgehend für einen Konkurrenten seines Arbeitgebers tätig werden. Unberührt bleibt selbstverständlich die Pflicht, im bestehenden Arbeitsverhältnis, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, nicht in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber zu treten.

Obwohl der Arbeitnehmer infolge des Verzichts nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden ist, entfällt damit nicht unbedingt der Anspruch auf die Karenzentschädigung. Die Pflicht des Arbeitgebers zu deren Zahlung erlischt erst ein Jahr nach Zugang der Verzichtserklärung, also im Fall von Herrn N. am 15. November 2013. Die Karenzentschädigung beginnt gleichwohl erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen. Herr N. hat daher vom 1. Juni an Anspruch auf das vertraglich zugesagte Geld. Das Gehalt, das er von seinem neuen Arbeitgeber erhält, muss er sich zum Teil auf die Entschädigung anrechnen lassen. Hätte der Arbeitgeber bereits am 31. Mai 2012 den Verzicht auf das Wettbewerbsverbot erklärt, wäre Herr N. gänzlich leer ausgegangen.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt