Am 20.05.2010 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Verlängerung bzw. vorzeitige Beendigung der Elternzeit“ beschäftigt.
Frau D. ist Mitarbeiterin einer Bank. Im Juni 2005 wurde ihr erstes Kind, ein Sohn, geboren. Frau D. erklärte ihrem Arbeitgeber im Anschluss an die Geburt, sie nehme drei Jahre Elternzeit in Anspruch. Im Mai 2007 bekam Frau D. ihr zweites Kind, eine Tochter. Sie teilte ihrem Arbeitgeber mit, die Elternzeit für ihren Sohn vorzeitig zu beenden und nunmehr drei Jahre Elternzeit für ihre Tochter in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber widersprach dem nicht. Die Elternzeit für die Tochter wäre jetzt im Mai ausgelaufen. Frau D. möchte jedoch noch ein Jahr zu Hause bleiben. Sie geht auch davon aus, dass sie Anspruch auf weitere zwölf Monate Elternzeit hat (Verlängerung der Elternzeit). Schließlich habe sie die Elternzeit für ihren Sohn vorzeitig beendet. Hat Frau D. recht?
Jeder Arbeitnehmer, der mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und es selbst betreut, hat nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (§ 15 BEEG) einen Anspruch auf Elternzeit. Der Anspruch besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes.
Mit Zustimmung des Arbeitgebers kann jedoch ein Anteil von bis zu zwölf Monaten in die Zeit zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag gelegt werden. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind.
Frau D. hatte bestimmt, dass sie die drei Jahre Elternzeit für ihren Sohn ununterbrochen in Anspruch nehmen will. An diese Entscheidung wäre sie grundsätzlich gebunden. Das Bundeserziehungsgeldgesetz bietet jedoch die Möglichkeit, die Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes vorzeitig zu beenden (§ 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG).
Will der Arbeitgeber der vorzeitigen Beendigung widersprechen – wozu er nur aus dringenden betrieblichen Gründen berechtigt ist -, so muss dies innerhalb von vier Wochen schriftlich erfolgen. Werden Form und Frist nicht eingehalten, so wird die Elternzeit infolge der Erklärung des Arbeitnehmers ohne weiteres vorzeitig beendet.
Da der Arbeitgeber der vorzeitigen Beendigung im Fall von Frau D. nicht widersprach, endete die Elternzeit für den Sohn im Dezember 2006. Von drei Jahren Anspruchsdauer verbleiben somit zwölf Monate. Diese zwölf Monate für ihren Sohn kann Frau D. auf die Zeit nach dem Ende der Elternzeit für ihre Tochter übertragen, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
Der Arbeitgeber ist dabei in seiner Entscheidung nicht frei, sondern muss, wie das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21. April 2009, 9 AZR 391/08) entschieden hat, nach “billigem Ermessen” handeln. Das heißt, der Arbeitgeber muss die wesentlichen Umstände des Einzelfalles abwägen und die beiderseitigen Interesse angemessen berücksichtigen.
Der Arbeitgeber muss konkrete Gründe dafür benennen, warum seine Interessen durch die fortdauernde Abwesenheit der Mitarbeiterin beeinträchtigt werden. Abstrakte Argumente wie die angeblich proportional zur Dauer der Elternzeit abnehmenden Kenntnisse und Fähigkeiten oder das Argument “Planungsunsicherheit” lässt das Gericht nicht gelten.
Sollte der Arbeitgeber die Zustimmung verweigern, hat Frau D. die Möglichkeit, Klage vor dem Arbeitsgericht zu erheben. Das Gericht hat dann zu prüfen, ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt