Am 11.10.2012 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung“ beschäftigt.
Frau W. war im Büro eines Immobilienmaklers tätig. Dieser kündigte ihr zum 30. September 2011. Laut Arbeitsvertrag standen Frau W. 25 Arbeitstage Urlaub im Jahr zu. Zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens hatte sie erst 15 Tage in Anspruch genommen. Die Leserin fragt, ob sie jetzt noch einen Anspruch auf Geldersatz für zehn Urlaubstage hat.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 7, BUrlG) ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Da Frau W. in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden ist, hat sie einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub von 25 Tagen erworben. Der Umstand, dass sie nicht bis zum Jahresende beschäftigt war, führt somit nicht zur Kürzung des Urlaubs. Von den 25 Tagen konnte Frau W., nachdem das Arbeitsverhältnis sein Ende gefunden hatte, zehn Tage nicht mehr in Anspruch nehmen.
Nach früherer Rechtslage hätte Frau W. aber trotzdem keinen Abgeltungsanspruch gehabt, und zwar aus folgendem Grund: Der Anspruch auf Abgeltung wurde so behandelt wie der ursprüngliche Urlaubsanspruch. Der Urlaub muss grundsätzlich bis zum Jahresende genommen werden, da er anderenfalls verfällt. Hieraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass auch der Anspruch auf Abgeltung bis zum Jahresende geltend gemacht werden müsse. Demnach wäre es Frau W. nicht mehr möglich gewesen, jetzt noch Geld für den Verlust der entgangenen Urlaubstage zu verlangen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Juni 2012, Aktenzeichen 9 AZR 652/10) aber vor kurzem aufgegeben.
Demnach muss der ausgeschiedene Arbeitnehmer die Urlaubsabgeltung nicht mehr zwingend bis zum Jahresende geltend machen. Er kann dies noch später nachholen. Dabei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass der Anspruch aus anderen Gründen untergehen kann. Außer der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren sind vor allem tarif-und arbeitsvertragliche Ausschlussfristen im Blick zu behalten. Diese sind deutlich kürzer als die gesetzliche Verjährungsfrist. In Tarif-und Arbeitsverträgen finden sich zum Teil Regelungen, wonach ein Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemacht werden muss.
Sollte sich im Arbeitsvertrag von Frau W. eine Verfallklausel finden, wäre zunächst zu prüfen, ob diese überhaupt wirksam ist. Eine Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten etwa ist regelmäßig unwirksam. Beinhaltet der Arbeitsvertrag keine (wirksame) Ausschlussfrist und findet auch kein Tarifvertrag Anwendung, der einen Verfall von Ansprüchen vorsieht, hat Frau W. einen Anspruch auf Geldersatz für zehn Urlaubstage. Dessen Höhe entspricht dem Betrag, den die Leserin als Urlaubsentgelt erhalten hätte, wenn sie die zehn Urlaubstage hätte nehmen können.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt