In einem am 28.04.2018 veröffentlichten Artikel haben wir an einem Beispielsfall das Entstehen von Urlaubsansprüchen in der Elternzeit und Urlaubsabgeltungsansprüchen nach der Elternzeit erläutert. Arbeitnehmer können solche Ansprüche selbst dann erwerben, wenn sie nicht arbeiten. Hier ist eine Zusammenfassung:
Ein Architekt stellte im Jahre 2010 eine Architektin ein. Ihre Vergütung betrug € 10.000,00 brutto im Monat und es wurden 30 Tage Urlaub vereinbart. Im Jahre 2013 wurde die Angestellte schwanger und konnte aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nicht mehr weiter arbeiten. Sie nahm nach der Entbindung des ersten Kindes drei Jahre Elternzeit. In der Elternzeit wurde sie erneut schwanger und nahm nach Entbindung des zweiten Kindes weitere zwei Jahre Elternzeit. Die Elternzeit endete Mitte 2017. Die Angestellte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2017. Im Frühjahr 2018 erreichte den Arbeitgeber ein Schreiben des Rechtsanwaltes der ehemaligen Angestellten, mit dem diese Ansprüche auf Urlaubsabgeltung in Höhe von über € 50.000,00 geltend machte. Der Arbeitgeber kann diese Forderung nicht nachvollziehen und fragt, ob er zur Zahlung verpflichtet ist.
Es ist einigen Arbeitgebern nicht bekannt, dass Arbeitnehmer auch während der Elternzeit Urlaubsansprüche erwerben, selbst wenn sie nicht arbeiten. Dies überrascht, da während der Elternzeit, sofern nicht Teilzeit gearbeitet wird, das Arbeitsverhältnis suspendiert ist, also zugunsten des Arbeitnehmers keine Ansprüche auf Lohn oder Sonderzahlungen entstehen. Der Gesetzgeber hat mit § 17 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) den Schutz des Arbeitnehmers im Auge und vorgesehen, dass zu Gunsten des Arbeitnehmers ein Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit entsteht. Dies kann der Arbeitgeber verhindern, indem er eine so genannte „Kürzungserklärung“ abgibt.
§ 17 Abs. 1 BEEG im Wortlaut:
Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet.
Früher hat das Bundesarbeitsgericht die Rechtsauffassung vertreten, dass der Arbeitgeber auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine solche Kürzungserklärung abgeben konnte (BAG vom 23.04.1996 – 9 AZR 165/95). Wenn also dem Arbeitnehmer bei Austritt aus dem Arbeitsverhältnis noch Urlaubsansprüche zustanden, die nicht mehr in Natur genommen werden konnten, so wandelte sich der Anspruch auf Gewährung von Urlaub in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war der Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, den geltend gemachten Abgeltungsanspruch noch um ein Zwölftel pro vollen Elternzeitmonat zu kürzen.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsauffassung nunmehr aufgegeben. Mit Urteil vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13 hat der 9. Senat nun entschieden, dass § 17 Abs. 1 BEEG auf den Urlaubsabgeltungsanspruch keine Anwendung findet. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, so das BAG, sei ein reiner Geldanspruch und kein Surrogat des ursprünglichen Urlaubsanspruches des Arbeitnehmers. Da der Geldanspruch aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei, bilde er einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und müsse wie seine anderen Zahlungsansprüche behandelt werden. Ein solcher selbständiger Geldanspruch könne nicht gekürzt werden.
Dies führt dazu, dass im vorliegenden Fall der Anspruch der Angestellten auf Urlaubsabgeltung für die Dauer der Elternzeit begründet ist. Der Arbeitgeber ist somit verpflichtet, die verlangte Urlaubsabgeltung zu bezahlen.
Tipp für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:
Wird das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit durch einen Aufhebungsvertrag beendet, kann der Arbeitgeber vor dessen Abschluss die Kürzung des Urlaubsanspruches erklären. Kündigt der Arbeitgeber nach der Elternzeit das Arbeitsverhältnis, so kann er während der Kündigungsfrist noch die Kürzung erklären. Beabsichtigt der Arbeitgeber nach der Elternzeit einen Aufhebungsvertrag zu schließen, so kann er vor bzw. im Zusammenhang mit dessen Abschluss von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen. Auch im Fall einer Arbeitnehmerkündigung während oder nach der Elternzeit kann der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen, solange dies noch innerhalb der Kündigungsfrist geschieht.
Es ist somit aus Arbeitgebersicht geboten, vor oder im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages, spätestens jedoch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nachweisbar die Kürzung von Urlaubsansprüchen gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären. Der Arbeitgeber kann die Kürzung bereits bei der Bescheinigung über die in Anspruch genommene Elternzeit nach § 16 Abs. 1 Satz 8 BEEG erklären, spätestens jedoch kurz vor Beendigung der Elternzeit.
Versäumt der Arbeitnehmer die Kürzung zu erklären, kann der Arbeitnehmer – wie im dargestellten Fall – Urlaubsabgeltungsansprüche in erheblichem Umfang gegen den Arbeitgeber geltend machen. Dabei muss geprüft werden, ob es arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen gibt, die zu berücksichtigen sind.
Angesichts dieser Rechtslage sollten sich Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer entsprechend ihrer jeweiligen Interessenlage rechtzeitig beraten lassen.
Den vollständigen Artikel finden Sie unter:
https://deutscherarbeitgeberverband.de/recht_und_arbeitsrecht/2018/2018_04_28_dav_recht_arbeitsrecht_urlaubsanspruch_nach_elternzeit.html
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt