Am 24.01.2008 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Anspruch auf bezahlte Freistellung bei Erkrankung des Kindes“ beschäftigt.
Das Ehepaar D. hat eine siebenjährige Tochter. Frau D. arbeitet nur Teilzeit. Als ihre Tochter über Nacht krank wird und deshalb nicht zur Schule gehen kann, entschließt sich Frau D., zu Hause zu bleiben, da sie niemanden hat, der ihr Kind betreuen könnte. Sie informiert ihren Arbeitgeber – und bleibt, da sich die Tochter erst nach und nach erholt, drei Tage der Arbeit fern. Der Arbeitgeber verlangt, dass Frau D. für die Zeit ihrer Abwesenheit Urlaub in Anspruch nimmt, andernfalls werde er für die drei Tage kein Gehalt zahlen. Frau D. fragt, ob sie dies hinnehmen muss.
Im deutschen Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: “Ohne Arbeit kein Lohn.” Von diesem Prinzip gibt es jedoch verschiedene Ausnahmen. Einen dieser Ausnahmefälle stellt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Paragraph 616 dar. Danach behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn er für “eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird”.
Zu den Verhinderungsgründen zählen Familienereignisse wie Geburten und Hochzeiten, aber auch die Erkrankung des Kindes kann einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung begründen.
Dabei spielt vor allem das Alter des Kindes eine Rolle. Eine starre Altersgrenze gibt es nicht, doch ist bei Kindern unter zwölf Jahren in der Regel von Betreuungsbedürftigkeit im Krankheitsfalle auszugehen. Von Bedeutung ist auch, zumindest wenn es sich nicht um Kleinkinder handelt, ob eine Betreuung durch andere Personen, etwa die Großeltern, möglich wäre. Sind beide Eltern berufstätig, so können sie auswählen, wer von ihnen zu Hause bleibt.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht aber nur, wenn die Dienstverhinderung eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dauert. Ein Zeitraum von bis zu fünf Tagen für die Pflege des Kindes wird in der Regel als verhältnismäßig anzusehen sein. Da die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist, finden sich häufig konkrete Regelungen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, die Vorrang vor der gesetzlichen Regelung haben.
Soweit im Fall von Frau D. solche Regelungen nicht bestehen, hat sie einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung. Auf die Forderung ihres Arbeitgebers, Urlaub in Anspruch zu nehmen, muss sich Frau D. daher nicht einlassen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Eltern bei Erkrankung des Kindes Krankengeld bei der gesetzlichen Krankenversicherung beantragen können (§ 45 SGB V), sofern ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Fortzahlung der Vergütung nicht besteht.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt