Unkündbar per Vertrag?

Am 22.03.2012 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung  mit dem Thema „außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist“ beschäftigt.

Herr N. ist seit mehr als 20 Jahren als Ingenieur in einem Stahlbauunternehmen im Raum Aschaffenburg tätig. Als er vor einigen Jahren zu einem Konkurrenten wechseln wollte, konnte ihn der Arbeitgeber aufgrund attraktiver Arbeitsbedingungen zum Bleiben bewegen. Unter anderem wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis seitens des Unternehmens nicht ordentlich gekündigt werden darf. Weil der Inhaber, der inzwischen 70 Jahre alt ist, keinen Nachfolger gefunden hat, traf er den Entschluss, den Betrieb zum 31. August dieses Jahres stillzulegen und allen Mitarbeitern zu kündigen. Herr N. ist der Ansicht, er sei unkündbar.

Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung kann wirksam ausgeschlossen werden. So finden sich in einigen Tarifverträgen Regelungen, die bei einer längeren Betriebszugehörigkeit und dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters die Kündigungsmöglichkeiten einschränken. Auch einzelvertraglich sind, wie im vorliegenden Fall, entsprechende Abreden zulässig. Unberührt davon bleibt das Recht zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Die Stilllegung eines Betriebes rechtfertigt allerdings grundsätzlich nicht den Ausspruch einer solchen Kündigung. Herr N. scheint somit in der Tat unkündbar zu sein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erlaubt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist. Hierzu zählt der Fall, dass der Arbeitgeber gezwungen wäre, über Jahre hinweg Gehaltszahlungen zu erbringen, denen keine Arbeitsleistung gegenübersteht. So verhält es sich hier.

Nach der Stilllegung des Betriebes besteht an der Arbeitsleistung von Herrn N. kein Bedarf mehr. Dürfte ihm nicht gekündigt werden, müsste der Unternehmer bis zum Renteneintritt das Gehalt weiterzahlen. Somit darf der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aussprechen.

Auf den ersten Blick steht Herr N. infolge der arbeitsvertraglichen Vereinbarung über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung schlechter da. Bei der ordentlichen Kündigung ist eine Kündigungsfrist einzuhalten, bei der außerordentlichen grundsätzlich nicht. Um dieses offensichtlich ungereimte Ergebnis zu vermeiden, verlangt das BAG in solchen Fällen die Wahrung einer sogenannten “Auslauffrist”. Diese entspricht der Kündigungsfrist, die bei einer ordentlichen Kündigung gelten würde. Im Fall von Herrn N. sind dies wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit sieben Monate zum Monatsende. Die Kündigung kann somit frühestens zum 31. Oktober erfolgen. Eine Verkürzung dieser Frist ist, obwohl der Betrieb zu einem früheren Zeitpunkt stillgelegt werden soll, ausgeschlossen. Das Risiko, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht beschäftigen zu können, ihn aber gleichwohl vergüten zu müssen, trägt der Arbeitgeber.

Die getroffene Vereinbarung schützt Herrn N. somit nicht vor dem Verlust des
Arbeitsplatzes bei Stilllegung des gesamten Betriebes. Zu seinen Gunsten gilt jedoch eine Auslauffrist von sieben Monaten.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt