Am 27.03.2008 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Welche Kündigungsfrist gilt in der Insolvenz “ beschäftigt.
Frau U. arbeitet seit mehr als 20 Jahren in demselben Unternehmen. Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste ihr Arbeitgeber einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14. Januar 2008 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis von Frau U. zum 30. April. Frau U. fragt, ob in Anbetracht ihrer langen Betriebszugehörigkeit eine Kündigung mit so kurzer Frist überhaupt zulässig ist und ob ihr gegebenenfalls ein finanzieller Ausgleich zusteht.
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen die Arbeitgeberbefugnisse auf den Insolvenzverwalter über. Dieser entscheidet somit auch darüber, ob die Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern gekündigt werden oder nicht.
Dabei ist der Insolvenzverwalter – eine entsprechende Betriebsgröße vorausgesetzt – an die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Er ist somit in der Entscheidung über die Kündigung nicht frei, sondern es muss ein betriebs-, personen- oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorliegen.
Im Insolvenzfall wird häufig ein betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben sein, etwa bei einer Betriebseinschränkung oder -stilllegung. Der Betriebsrat ist vor der Kündigung anzuhören.
Eine Erleichterung gilt hinsichtlich der Kündigungsfrist bei Insolvenz. Gemäß § 113 Insolvenzordnung (InsO) beträgt die Kündigungsfrist drei Monate, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Durch diese Vorschrift werden längere Kündigungsfristen, die außerhalb des Insolvenzfalls gelten würden, verdrängt. Kündigungsfristen, die kürzer als drei Monate sind, bleiben hingegen unberührt.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 622 II BGB) verlängern sich die Kündigungsfristen mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Im Fall von Frau U. betrüge die Kündigungsfrist infolge der Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren sieben Monate zum Monatsende.
Durch die Insolvenzordnung wird sie jedoch auf drei Monate verkürzt. Die Kündigung konnte somit zum 30. April ausgesprochen werden – vorausgesetzt, die übrigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung liegen vor.
Als Ausgleich für die Verkürzung der Kündigungsfrist gewährt die Insolvenzordnung (§ 113 S. 3) dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Schaden berechnet sich im Fall von Frau U. anhand des Verlustes der Vergütung für vier Monate. In Abzug zu bringen sind etwa Vergütungen aus einem neuen Arbeitsverhältnis oder Arbeitslosengeld.
Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers stellt eine sogenannte Insolvenzforderung dar. Das heißt, er muss beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Anderenfalls kann er bei der Verteilung des Arbeitgebervermögens nicht berücksichtigt werden. Zu beachten sind die Fristen, innerhalb deren eine Anmeldung der Insolvenzforderung erfolgen muss, um Rechtsnachteil zu vermeiden.
In der Regel reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um alle Gläubiger in voller Höhe zu befriedigen. Frau U. muss damit rechnen, dass sie nur einen Teil ihrer Forderung realisieren kann oder im schlimmsten Fall sogar völlig leer ausgehen wird.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt