Kredit vom Chef wann kündbar?

Am 18.09.2014 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Frage beschäftigt, ob das Unternehmen ein Arbeitgeberdarlehen, das es dem Arbeitnehmer gewährt hat, sofort und in voller Höhe zurückverlangen kann, wenn das Arbeitsverhältnis (zum Beispiel infolge einer Kündigung) beendet wurde.

Herr N. benötigte wegen privater Probleme einen größeren Geldbetrag. Sein Arbeitgeber erklärte sich bereit, ihm ein moderat verzinstes Darlehen in Höhe von 30 000 Euro zu gewähren. Die monatlichen Raten wurden vom Nettogehalt einbehalten. Im Darlehensvertrag wurde auf Wunsch des Arbeitgebers festgehalten, dass er zur Kündigung des Kredits berechtigt ist, sobald das Arbeitsverhältnis, gleich von welcher Seite, beendet wird. Herr N. kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. August, da er eine besser bezahlte Stellte gefunden hatte. Sein ehemaliger Arbeitgeber kündigte daraufhin das Darlehen und fordert ihn auf, den noch nicht getilgten Restbetrag von 20 000 Euro auf einmal zurückzuzahlen. Herr N. verfügt nicht über so viel Geld und fragt, ob sein ehemaliger Chef im Recht sei.

Ob der Leser zur sofortigen Rückzahlung des gesamten Restbetrages verpflichtet ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber das Darlehen wirksam gekündigt hat. Die Klausel im Darlehensvertrag, wonach der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Kündigung des Darlehens berechtigt ist, unterliegt der sogenannten Inhaltskontrolle. Stellt der Arbeitgeber Vertragsbedingungen auf, auf deren Inhalt der Arbeitnehmer keinen Einfluss nehmen kann, so unterliegen diese einer gerichtlichen Überprüfung nach §§ 305-310 BGB. Diese gerichtliche Kontrollmöglichkeit soll verhindern, dass der Arbeitgeber seine (meist) stärkere Position ausnutzt, um Arbeitnehmer bei der Ausgestaltung von Arbeits- und sonstigen Verträgen unangemessen zu benachteiligen.

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12.12.2013 (Aktenzeichen 8 AZR 829/12) stellt eine Klausel, wie im vorliegenden Fall verwendet, eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Zwar gebe es, so das BAG, ein anerkennenswertes Bedürfnis, die Gewährung eines Arbeitgeberdarlehens an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen. Doch gebe es Konstellationen, in denen der Arbeitgeber nicht schützenswert sei. Dies sei dann der Fall, wenn der Arbeitgeber durch ein treuwidriges Verhalten Anlass für die Eigenkündigung des Mitarbeiters gegeben habe. Dann sei es dem Arbeitgeber zuzumuten, trotz Eigenkündigung des Arbeitnehmers das Darlehen wie vorgesehen abzuwickeln, also entsprechend dem Tilgungsplan. Eine Klausel, die dies nicht berücksichtigt, ist unwirksam.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber keinen Anlass für Herrn N.’s Eigenkündigung gegeben. Dennoch ist er nicht zur sofortigen Rückforderung des Darlehens berechtigt. Weil die Klausel einen Fall (vom Arbeitgeber verschuldete Eigenkündigung des Mitarbeiters) umfasst, der eine Kündigung des Darlehens nicht rechtfertigt, ist sie insgesamt unwirksam. Sie kann somit nicht auf einen zulässigen Restinhalt zurückgeführt werden und mit diesem weiterhin Bestand haben. Somit entfaltete die Kündigung des Darlehens keine Wirkung. Herr N. ist berechtigt, es auch weiterhin in monatlichen Raten zurückzuführen.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt