Freigestellt nach Insolvenz

Am 04.08.2011 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung  mit dem Thema „Anrechnung anderweitig erzielten Lohnes bzw. Gehaltes während einer Freistellung“ beschäftigt.

Herr M. war als Informatiker bei einem Unternehmen tätig. Sein monatliches Bruttogehalt betrug 3000 Euro. Der Arbeitgeber musste einen Insolvenzantrag stellen. Der Insolvenzverwalter kündigte Herrn M. am 31. Dezember 2010 zum 31. März 2011 und stellte ihn -ohne dessen Zustimmung -für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeit frei (Freigestellt nach Insolvenz). Herr M. fand bereits zum 1. Februar eine neue Anstellung und verdient nun 4500 Euro brutto. Der Insolvenzverwalter verweigert die Zahlung des rückständigen Gehalts für Januar bis März. Herr M. müsse sich das Gehalt aus dem neuen Arbeitsverhältnis anrechnen lassen. Herr M. fragt, ob dies zutreffend ist.

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeit frei, gerät er in einen sogenannten Annahmeverzug. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer trotz nicht geleisteter Arbeit die Zahlung der vereinbarten Vergütung verlangen (§ 615 BGB). Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme vom Grundsatz “Ohne Arbeit kein Lohn dar” und dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber soll sich nicht seiner Verpflichtung zur Zahlung des Gehaltes entziehen können, indem er die Entgegennahme der Arbeitsleistung verweigert.

Dieser Anspruch besteht auch im Fall der Insolvenz. Fällt der Zeitraum, für den Lohn zu zahlen ist, in die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine sogenannte Masseforderung. Das bedeutet: Der Anspruch hat Vorrang vor den Forderungen anderer Gläubiger. Herrn M. stünden somit 9000 Euro zu.

Tatsächlich hat Herr M. jedoch keinen Anspruch, denn das Geld, das er durch anderweitige Arbeit verdient, muss er sich auf den sogenannten Annahmeverzugslohn anrechnen lassen. In den Monaten Februar und März 2011 überstieg der anrechenbare Verdienst die Vergütung aus dem alten Arbeitsverhältnis. Ein Anspruch für diese Zeit besteht somit in keinem Fall. Umstritten ist die Rechtslage, was den Monat Januar betrifft. Nimmt man, wie dies zum Teil befürwortet wird, eine Anrechnung nach einzelnen Zeitabschnitten vor, beeinflusst der spätere (höhere) Verdienst nicht den Anspruch für den Januar. Das Bundesarbeitsgericht fordert jedoch eine Gesamtberechnung (Urteil vom 22.11.2005 -1 AZR 407/04). Demnach ist der gesamte Verdienst, der während der Dauer des Annahmeverzuges erzielt wurde, anzurechnen. Somit ergibt sich folgende Berechnung: Der Annahmeverzugslohn für Januar bis März beläuft sich auf 9000 Euro. Das anderweitige Einkommen während dieses Zeitraums beträgt ebenfalls 9000 Euro. Daher hat Herr M. keinen Anspruch gegen seinen früheren Arbeitgeber.

Wolfgang Strba
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt