Falsche Kündigungsfrist?

Am 07.04.2011 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Nichteinhaltung der Kündigungsfrist – muss innerhalb von drei Wochen Klage erhoben werden?“ beschäftigt.

Frau Z. war seit Dezember 2001 als Verkäuferin in einem Einzelhandelsgeschäft tätig. Zu Beginn ihrer Beschäftigung war sie 20 Jahre alt. Der Arbeitgeber kündigte ihr im November vergangenen Jahres zum 31. Dezember. Frau Z. teilte ihrem Arbeitgeber mit, dass sie die Kündigung für unwirksam halte. Sie versäumte jedoch, fristgerecht Kündigungsschutzklage zu erheben. Inzwischen weiß sie, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten hat. Frau Z. fragt, ob sie für die Zeit bis zum “richtigen” Beendigungstermin einen Anspruch auf Nachzahlung des Gehaltes hat.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Kündigung unwirksam ist, so muss er innerhalb einer Frist von drei Wochen Klage beim Arbeitsgericht erheben (§ 4, Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Das Versäumen der Frist hat zur Folge, dass die Kündigung von Anfang als rechtswirksam gilt. Da Frau Z. keine Klage erhoben hat, wurde das Arbeitsverhältnis beendet.

Der Arbeitgeber hätte jedoch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB) mit einer Frist von drei Monaten kündigen müssen, weil das Arbeitsverhältnis mehr als acht Jahre bestand. Die Bestimmung dass Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, bei der Berechnung der Kündigungsfrist keine Berücksichtigung finden, verstößt gegen Europarecht und findet daher keine Anwendung mehr. Es stellt sich die Frage, ob sich Frau Z. auf die längere Kündigungsfrist berufen kann, obwohl sie die Klagefrist versäumt hat.

Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat im Jahr 2005 entschieden, dass der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist auch noch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist geltend machen könne. Diese Rechtsprechung hat jedoch durch ein Urteil des 5. Senats des BAG vom 1. September 2010 (5 AZR 700/09) eine bedeutende Einschränkung erfahren. Das BAG gelangte zu der Auffassung, dass die Kündigung zu dem vom Arbeitgeber im Kündigungsschreiben genannten Zeitpunkt wirksam wurde, obwohl er die Kündigungsfrist nicht eingehalten hatte. Die Begründung: Der Arbeitgeber hatte ein konkretes Datum genannt und somit keine Auslegung dahingehend zugelassen, dass die Kündigung zum “richtigen”, sich unter Wahrung der Kündigungsfrist ergebenen Zeitpunkt wirken solle.

Im Fall von Frau Z. kommt es somit darauf an, wie die Kündigung auszulegen ist. Nur dann, wenn sich der Kündigung entnehmen lässt, dass der Arbeitgeber die einzuhaltende Kündigungsfrist in jedem Fall wahren wollte, entfällt die Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage. Dies ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber “hilfsweise zum nächst zulässigen Termin” kündigt.

In Anbetracht der unsicheren Rechtslage sollten Arbeitnehmer aber in jedem Fall die Drei-Wochen-Frist einhalten. Sie sollten dabei wirtschaftliche Überlegungen nicht außer Acht lassen: Jede Partei eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz hat die Kosten dieses Verfahrens selbst zu tragen. Diese gesetzliche Regelung weicht von der üblichen Kostenregelung im Zivilprozess ab, wonach die unterlegene Partei verpflichtet ist, dem Prozessgewinner die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Hat der Arbeitnehmer keine Rechtsschutzversicherung, die die Kosten eines Rechtsanwalts übernimmt, sollten Kosten und Nutzen eines Arbeitsgerichtsverfahrens sorgfältig abgewogen werden. Der Arbeitnehmer hat aber auch die Möglichkeit, selbst Klage gegen den Arbeitgeber zu erheben, da kein Anwaltszwang vor den Arbeitsgerichten besteht.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt