Entscheidungen aus der Region Frankfurt und Rhein-Main 1/17

OLG Frankfurt: Zum Nachbarrecht und Gewaltschutzgesetz

Seit dem 01.01.2002 gilt in Deutschland das Gewaltschutzgesetz. Es dient dem Schutz vor häuslicher Gewalt und Stalking. Über einen etwas ungewöhnlichen Sachverhalt hatte nun das OLG Frankfurt zu entscheiden.

Die Parteien des Verfahrens sind Nachbarn. Ihre Balkone liegen direkt nebeneinander und sind nur durch eine halbhohe Brüstung getrennt. Im Juni 2015 kam es zu einem Streit. Der eine Nachbar beugte sich hierbei so weit über die Brüstung, dass er (dies blieb wohl ungeklärt) mit seinem Kopf oder gar einem Teil des Oberkörpers in den Bereich des Balkons des Nachbarn kam. Dieser beantragte daraufhin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, es seinem Nachbarn unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, ihm nachzustellen oder sich über den Balkon hinüberzubeugen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat durch Beschluss vom 21.03.2016 entschieden, dass allein dieses Verhalten nicht genügt, um eine Unterlassungsanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu rechtfertigen. Eine gerichtliche Anordnung ist nach § 1 Abs. 2 Ziff. 2 a Gewaltschutzgesetz möglich, wenn eine Person widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung oder das befriedete Besitztum einer anderen Person eindringt. Unter Bezugnahme auf den Straftatbestand des § 123 StGB (Hausfriedensbruch) lehnt das Oberlandesgericht Frankfurt es ab, allein das Aufstützen und Hineinlehnen über eine Brüstung als solches „Eindringen“ zu qualifizieren. Es handele sich nur um einen minimalen Eingriff in den geschützten Bereich der Wohnung. Eine zu weitgehende Auslegung würde ein ganz normales soziales Verhalten in einem nachbarschaftlichen Verhältnis kriminalisieren. Daher sei es für ein Eindringen im Sinne des Gewaltschutzgesetzes und des Hausfriedensbruchs nicht ausreichend, wenn das Verhalten von vornherein nicht auf ein Betreten ausgerichtet sei.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.03.2016, Az. 4 UF 26/16

Zuvor AG Hanau, Beschluss vom 19.10.2015, Az. 62 F 1318/15

 

BGH bestätigt Rechtsprechung des LG Frankfurt zum Umgang mit Versicherungsleistungen im WEG-Recht

Immer wieder kommt es innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften zu Schwierigkeiten bei der Abwicklung von versicherten Schadensfällen. Dies beruht darauf, dass regelmäßig durch die WEG als teilrechtfähigem Verband in Form der Gebäudeversicherung nicht nur das Gemeinschafseigentum versichert wird, sondern auch das Sondereigentum.

Der Bundesgerichtshof hat nun die Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt bestätigt, wonach der von der WEG abgeschlossene Gebäudeversicherungsvertrag – mit Ausnahme von etwaigem Verbandseigentum – eine „Versicherung auf fremde Rechnung“ darstellt. Versicherungsnehmer ist damit der teilrechtsfähige Verband. Versicherte sind hingegen die Wohnungseigentümer. Die WEG als Versicherungsnehmerin hat damit auch Zahlungen des Versicherungsunternehmens für Schadensbeseitigung am Sondereigentum einzuziehen. Diese sind aber dann an den geschädigten Wohnungseigentümer auszukehren.

Dem geschädigten Sondereigentümer stehen für sein Sondereigentum vom Versicherer geleistete Leistungen zu, sofern diese nicht von der Wohnungseigentümergemeinschaft für den jeweiligen Sondereigentümer verauslagt wurden.

Dass die Klage der Eigentümer im vorliegenden Fall gleichwohl keinen Erfolg hatte, beruhte auf anderen Rechtsgründen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2016, Az. V ZR 29/16

Zuvor LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2015, Az. 2-13 S 7/15

Zuvor AG Idstein, Urteil vom 01.12.2014, Az. 32 C 9/14 (21)

 

OLG Frankfurt: Zu eventuellen Ansprüchen des Mieters, welcher einen vom Vorvormieter verlegten Fußboden erworben hat

Von Mieterseite nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemachte Ansprüche wegen eines vom Vormieter verlegten Fußbodens, welchen der Mieter vom Vormieter „erworben“ hat, führen häufig zu Auseinandersetzungen.

Nunmehr liegt auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu Ansprüchen wegen eines mieterseits verlegten Marmorfußbodens im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses vor.

Die Vermieterin hatte dem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses ausdrücklich die Beseitigung des Marmorfußbodens untersagt. Der Mieter klagte deshalb auf Schadensersatz bzw. auf Zahlung einer billigen Entschädigung. Unstreitig war der Marmorfußboden nicht vom Mieter selbst, sondern vom Vorvormieter verlegt worden. Der Mieter behauptete, er habe vom Vormieter diesen Marmorboden käuflich zusammen mit der Ladeneinrichtung erworben.

Das Oberlandesgericht verneint einen Anspruch des gewerblichen Mieters aus § 539 BGB bzw. entsprechenden Vorschriften im Mietvertrag. Es handele sich nicht um eine Einrichtung, die vom Mieter eingebracht worden sei, sondern von der Vorvormieterin.

Ein Anspruch aus Eigentum scheide ebenfalls aus, der Mieter habe den Marmorfußboden von dem Vormieter bzw. den Vorvormietern auch nicht im Rahmen einer Kaufkette erwerben können. Der Fußboden sei mit der Verlegung wesentlicher Bestandteil des Gebäudes der Vermieterin geworden. Ein Eigentumserwerb des Nachmieters vom Vormieter sei daher nicht möglich gewesen, da sich zum Zeitpunkt des Mieterwechsels der Marmorfußboden bereits im Eigentum der Vermieterin als Gebäudeeigentümerin befunden habe.

Der „Verkauf“ vom Vermieter könne auch nicht in eine Abtretung eines Herausgabeanspruches umgedeutet werden. Überdies seien solche Ansprüche jedenfalls verjährt. Hier greife die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.11.2016, Az. 2 U 49/16

Zuvor: LG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.04.2016, Az. 2-07 O 170/15

 

LG Frankfurt: Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage bei Unklarheit, ob ein Beschluss gefasst worden ist oder nicht

Im Streit stand ein Wirtschaftsplan. Aus dem Protokoll ergab sich nicht eindeutig, ob über diesen ein Beschluss gefasst worden war oder nicht. Eine Beschlusssammlung existierte nicht.

Die beklagten übrigen Wohnungseigentümer behaupteten, es sei kein Beschluss gefasst worden. Mangels Beschlusses fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage. Die Kläger trugen hiergegen vor, dass ein Rechtsschutzbedürfnis in jedem Fall vorliege, da der Verwalter aufgrund dieses (angeblich) nicht gefassten Beschlusses über den Wirtschaftsplan Gelder vereinnahmte. Die Parteien schlossen vor dem Amtsgericht Königstein einen Vergleich. Streitgegenständlich war noch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens.

Das Amtsgerichts Königstein und nachfolgend das Landgericht Frankfurt legten die Kosten des Verfahrens den Beklagten auf. Das notwendige Rechtsschutzbedürfnis für die Klage habe vorgelegen.

Das Landgericht Frankfurt führt zur Begründung aus, dass offen bleiben könne, ob der Wirtschaftsplan beschlossen worden sei oder nicht, da dieser vorliegend aus Rechtsgründen für ungültig hätte erklärt werden müssen. Sofern – wie der Wortlaut des Protokolls nahelege – keine Beschlussfassung erfolgt sei, hätte gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Der Verwalter habe unstreitig Gelder auf Grundlage des (angeblich nicht beschlossenen) Wirtschaftsplanes vereinnahmt. Die Grundlage der Wohngeldzahlung habe in jedem Fall von den Klägern überprüft werden dürfen.

LG Frankfurt, Beschluss vom 30.09.2016, Az. 2-09 T 177/16

Zuvor AG Königstein, Beschluss vom 30.06.2015, Az. 21 C 1500/14 (15)

 

Ellen Taufkirch
angestellte Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

Patrick Geiger
angestellter Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

 

Strba Rechtsanwälte
Rechts- und Fachanwälte Frankfurt am Main