Unser nachstehender Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.03.2015 behandelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Arbeitnehmer Einsicht in ihre Personalakte nehmen dürfen.
Frau P. streitet mit ihrem Arbeitgeber über die Höhe der ihr zustehenden Tantieme. Diese Sonderzahlung ist unter anderem vom Erreichen bestimmter persönlicher Ziele abhängig. Frau P. ist der Meinung, sie habe die Ziele erfüllt. Das ergebe sich aus den regelmäßigen Bewertungen ihrer Arbeit durch den Vorgesetzten. Da die Leserin nicht über Kopien der Bewertungsbögen verfügt, fragt sie, ob sie Anspruch auf Einsichtnahme in die Personalakte habe, in der sie die relevanten Dokumente vermutet.
Das Betriebsverfassungsgesetz (§ 83, BetrVG) gewährt jedem Arbeitnehmer das Recht, in die über ihn geführte Personalakte Einsicht zu nehmen. Dieser Anspruch ist im Betriebsverfassungsgesetz, das die Rechte und Pflichten des Betriebsrates und seine Rechtsbeziehungen zum Unternehmen regelt, normiert und besteht unabhängig davon, ob überhaupt ein Betriebsrat in einem Unternehmen existiert.
Arbeitnehmer können jederzeit und ohne besonderen Anlass Einsicht in ihre Personalakte nehmen. Zur Personalakte gehören alle Dokumente, die mit dem Arbeitsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehen. Hierzu zählen außer dem Arbeitsvertrag etwa Abmahnungen, Zeugnisse, Schriftwechsel mit dem Mitarbeiter und auch Beurteilungen. Der Arbeitgeber hat somit nicht die Möglichkeit, das Einsichtsrecht zu beschränken, indem er nur bestimmte Dokumente zusammenstellt und diese als “Personalakte” deklariert. Die Akte ist vollständig vorzulegen. Der Arbeitnehmer darf bei Durchsicht der Akte Notizen und Abschriften erstellen. Auch ist er befugt, Fotokopien herzustellen. Er hat aber nicht das Recht, die Akte mit nach Hause zu nehmen, um sie dort einzusehen.
Die Einsichtnahme ist während der Arbeitszeit zu gewähren. Der Arbeitnehmer darf ein Mitglied des Betriebsrates zur Einsichtnahme hinzuziehen (§ 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person ist berechtigt, während der Einsichtnahme anwesend zu sein. Umstritten ist, ob der Arbeitnehmer einen Dritten (etwa einen Rechtsanwalt) bevollmächtigen darf, an seiner Stelle Einblick in die Akte zu nehmen. Frau P. hat somit das Recht, in die Personalakte Einsicht zu nehmen und die Bewertungen zu kopieren, um sie sodann in der Auseinandersetzung über die Höhe der Tantieme zu nutzen.
Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 16.11.2010, Aktenzeichen 9 AZR 573/09) besteht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Einsicht in der Personalakte. Dies folgt aus der Überlegung, dass nach Ende des Arbeitsverhältnisses nachwirkende Ansprüche auf Beseitigung und Korrektur unrichtiger Daten bestehen können. Damit der Betroffene diese Rechte geltend machen kann, muss er wissen, was in der Personalakte steht.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt