Die Eigenbedarfskündigung

Sie möchten eine vermietete Immobilie selbst nutzen? Wohnraummietverträge können nur gekündigt werden, wenn ein berechtigtes Interesse besteht, wozu auch der Eigenbedarf gehört. Über die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung möchten wir Ihnen in unserem Beitrag “Die Eigenbedarfskündigung”, der im ERA Wohnimmobilien-Magazin “ERste Adresse” (Jahrgang 15, Ausgabe Nr. 54) erschienen ist, einen ersten Überblick geben.

1.Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung

Eigenbedarf liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, wenn „der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes“ (sog. Bedarfspersonen) „benötigt.“

a) Bedarfspersonen

  • Bedarf für den Vermieter selbst
  • So ist eine Eigenbedarfskündigung natürlich möglich, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst benötigt. Bei mehreren Vermietern genügt es, wenn einer der Vermieter die Räume nutzen möchte.

  • Nutzung durch Familienangehörige
  • Zu den privilegierten Personen gehören jedenfalls die mit dem Vermieter eng verwandten oder verschwägerten Personen. Für weiter entfernte Verwandte, z.B. Cousinen und Cousins, fordert die Rechtsprechung zudem ein besonderes persönliches Verhältnis zwischen dem Vermieter und dem Angehörigen.

  • Nutzung durch Haushaltsangehörige
  • Zu den Haushaltsangehörigen gehören alle Personen, die seit längerer Zeit und auf Dauer mit dem Vermieter in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenleben. Will der Vermieter hingegen Personen, die nicht zur Familie gehören und bislang nicht zu seinem Haushalt gehört haben, den Wohnraum zur Verfügung stellen, liegt kein Fall des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor (z.B. bei engen Freunden).

b) Eigenbedarf

Die Formulierung „benötigt“ setzt zumindest nach der neueren Rechtsprechung nicht voraus, dass der Vermieter zwingend auf die Wohnung angewiesen ist. Ausreichend ist vielmehr die ernsthafte Absicht, die Mietsache selbst als Wohnraum zu nutzen, d.h. dort einzuziehen.

Hierbei gebietet es die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, dass die Gerichte grundsätzlich den Willen des Vermieters respektieren müssen. Sie dürfen insbesondere nicht ihre Vorstellungen von bedarfsgerechtem Wohnen an die Stelle der Wohnbedürfnisse und Lebensplanung des Vermieters setzen. Die Gerichte prüfen daher nur, ob der geäußerte Nutzungswille tatsächlich besteht. Die gerichtliche Kontrolle ist beschränkt darauf,

  • ob die vom Vermieter vorgetragenen Gründe für den Eigenbedarf auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhen,
  • ob eine Ernsthaftigkeit des Erlangungswunsches gegeben ist und
  • ob die gekündigte Wohnung geeignet ist, den vom Vermieter geschilderten Bedarf tatsächlich zu decken.

Die Nutzungsinteressen des Vermieters können vielfältig sein. Beispielsweise kann es Eigenbedarf darstellen, wenn aufgrund einer Veränderung der Lebensumstände die bisherige Wohnung zu klein oder auch zu groß, die Art der Wohnung nicht mehr geeignet (z.B. Dachgeschosswohnung für gehbehinderte Person) oder etwa aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels die Lage der derzeitigen Wohnung ungeeignet ist. Auch wirtschaftliche Gründe, z.B. wenn der Vermieter aufgrund einer Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die bisher von ihm bewohnte Wohnung nicht mehr finanzieren kann, können Eigenbedarf begründen. Die Geltendmachung von Eigenbedarf wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vermieter diesen durch sein Verhalten selbst herbeiführt (z.B. bei Kinderwunsch).

Auch ein zeitlich begrenzter Nutzungsbedarf oder der Wunsch nach einer Nutzung der Wohnung als Zweit- oder Ferienwohnung kann Eigenbedarf begründen. Maßgeblich ist, ob ein vernünftiges, von nachvollziehbaren Gründen getragenes Erlangungsinteresse besteht.

Es kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gründe für den Eigenbedarf bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorlagen, der Vermieter aber dennoch einen unbefristeten Mietvertrag mit dem Mieter schließt und ihn nicht entsprechend informiert. Der Vermieter ist hingegen nicht gehalten, vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrages ungefragt Ermittlungen über einen möglichen zukünftigen Eigenbedarf anzustellen.

Die Interessen des Mieters finden bei der Prüfung der Voraussetzungen des Tatbestandes der Eigenbedarfskündigung keine Berücksichtigung. Erst wenn für das Gericht die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung feststeht, wird auf Widerspruch des Mieters im Rahmen der Sozialklausel der §§ 574, 574 a BGB geprüft, ob Härtegründe im Sinne dieser Vorschrift vorliegen (s.u.).

c) Eignung der Wohnung

Die zu kündigende Wohnung muss geeignet sein, um den Eigenbedarf zu decken. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn eine Wohnung gekündigt werden soll, die für die gehbehinderte Bedarfsperson z.B. aufgrund steiler Treppen kaum zu erreichen ist.

Wenn mehrere Wohnungen zur Deckung des Wohnbedarfs des Vermieters bzw. der Bedarfsperson in Betracht kommen, hat der Vermieter ein Wahlrecht, welchem Mieter er kündigt. Eine Sozialauswahl unter den Mietern findet nicht statt.

d) Vorgetäuschter Eigenbedarf

Wird ein Eigenbedarf lediglich vorgetäuscht (d. h. der Nutzungswunsch besteht tatsächlich nicht), ist die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus macht sich der Vermieter schadensersatzpflichtig und ggf. strafbar.

2.Zeitpunkt des Eigenbedarfs

Der Wille zur Nutzung muss bei Ausspruch der Kündigung vorliegen und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen. Unzulässig sind sog. „Vorratskündigungen“, denen ein lediglich vermuteter künftiger Eigenbedarf zugrunde liegt.

Fällt das Nutzungsinteresse des Vermieters nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung, aber vor Ablauf der Kündigungsfrist weg, z.B. durch den Tod der Bedarfsperson, ist das weitere Festhalten an der ausgesprochenen Kündigung rechtsmissbräuchlich und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Der Vermieter muss dem Mieter den Entfall des Eigenbedarfs mitteilen, anderenfalls macht er sich gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig.

Fällt das Nutzungsinteresse hingegen nach Ablauf der Kündigungsfrist weg, ändert dies nichts an der Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund der Eigenbedarfskündigung.

3.Alternativwohnung und Anbietpflicht

Eine Eigenbedarfskündigung ist rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam, wenn der Vermieter seinen Wohnbedarf durch eine andere freie Wohnung aus seinem Bestand decken könnte. Auch insoweit haben die Gerichte jedoch den begründeten Nutzungswillen des Eigentümers zu respektieren.

Unabhängig hiervon ist der Vermieter unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und aus mietrechtlicher Rücksichtnahme heraus verpflichtet, dem gekündigten Mieter eine vergleichbare Wohnung, die bereits bei Kündigungsausspruch frei ist oder auch eine solche, die während des Laufes der Kündigungsfrist frei wird, zu zumutbaren Bedingungen zur Anmietung anzubieten. Kommt der Vermieter dieser Pflicht nicht nach, führt dies nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar nicht mehr zur Unwirksamkeit der Kündigung, aber zu Schadensersatzansprüchen des Mieters.

Die Anbietpflicht gilt nur für Wohnungen, die sich im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befinden. Sie gilt ferner nur für Wohnungen, die bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werden. Das Angebot muss vom Vermieter ausgehen; er muss also aktiv tätig werden. Die Mietkonditionen, insb. die Miete, müssen angemessen sein. Angemessen ist die ortsübliche bzw. die bisher verlangte Miete oder die Marktmiete, soweit sie gesetzlich zulässig ist.

4.Kündigungsbeschränkungen

  • § 577 a BGB
  • Die wichtigste Beschränkung ist die sich aus § 577 a BGB ergebende Kündigungssperrfrist.

    Nach dieser Vorschrift kann sich der Vermieter für einen Zeitraum von drei (oder bei entsprechender Verordnung bis zu zehn) Jahren nicht auf Eigenbedarf berufen, wenn:

    • an der Mietsache nach Überlassung der Wohnung an den Mieter
    • Wohnungseigentum begründet wurde und
    • (wiederum hiernach) das Wohnungseigentum veräußert wurde.

    Die Frist beginnt erst mit der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer in das Grundbuch. Die Kündigung darf erst nach Ablauf der Kündigungssperrfrist ausgesprochen werden.

    Vorsicht ist auch angebracht, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter an eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber veräußert oder zu deren Gunsten belastet worden ist, da in diesen Fällen eine Sperrfrist nach § 577 Abs. 1 a BGB eingreifen kann.

  • Weitere Kündigungsbeschränkungen
  • Weitere Kündigungsbeschränkungen können sich aus dem Mietvertrag ergeben. Dieser sollte daher vor Erwerb einer Wohnung genau geprüft werden. Gleiches gilt für den notariellen Kaufvertrag.

    Schließlich können auch Mieterdienstbarkeiten oder im Grundbuch eingetragene Wohnrechte existieren.

5.Widerspruchsrecht des Mieters

Gemäß § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der ordentlichen (Eigenbedarfs-) Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses (befristet, in bestimmten Einzelfällen auch auf unbestimmte Zeit) verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder andere Angehörige seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Vermieterinteressen nicht zu rechtfertigen ist.

Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Er ist fristgebunden, wenn der Vermieter bereits im Kündigungsschreiben den Mieter auf die Widerspruchsmöglichkeit hinweist. Ein solcher Hinweis führt dazu, dass der Widerspruch zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist dem Vermieter zugehen muss. Die Frist gilt dann nicht, wenn die Härtegründe erst nach Ablauf der Frist entstehen.

In der Praxis spielen insbesondere zwei Härtegründe eine maßgebliche Rolle:

  • Gesundheitsgefahren bis zur Lebensgefahr im Falle eines Umzugs;
  • drohende Obdachlosigkeit, da eine andere angemessene Wohnung mieterseits nicht gefunden werden konnte.

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen vom 22.05.2019 (insbesondere im Urteil zum Az. VIII ZR 180/18) klargestellt, dass zunächst eingehend zu prüfen ist, ob ein Härtefall vorliegt. Allein eine langjährige Verwurzelung im bisherigen Umfeld sowie sonstige, mit einem Umzug immer einhergehende Härten für den Mieter, stellen keine besondere Härte dar. Kommen zu diesen Umständen jedoch schwerwiegende Erkrankungen hinzu und ist etwa eine erhebliche Gesundheitsgefährdung im Falle eines Umzugs zu befürchten, müssen die Gerichte dem (regelmäßig unter Einholung eines Gutachtens) nachgehen. Hierbei haben die Gerichte auch zu prüfen, ob den Gesundheitsgefahren nicht durch begleitende Maßnahmen bei der Vollstreckung begegnet werden kann.

Liegt ein Härtegrund vor, sind die beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Hierzu hat der Bundesgerichtshof nunmehr klargestellt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht voraussetzt, dass die Interessen des Mieters deutlich überwiegen. Ein Übergewicht der Mieterbelange reicht aus.

6.Formelle Anforderungen

Bei Ausspruch der Eigenbedarfskündigung sind hohe formelle Anforderungen zu beachten. Andernfalls ist die Kündigung regelmäßig allein deshalb unwirksam.

Die Kündigung unterliegt der Schriftform.

Des Weiteren muss eine Eigenbedarfskündigung von allen Vermietern gegenüber allen Mietern ausgesprochen werden. Bei dem Verkauf einer Immobilie ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber erst mit der Eintragung als Eigentümer (d. h. nicht mit der Eintragung der Vormerkung) neuer Vermieter wird.

Ferner muss die Kündigung begründet werden. Allein floskelhafte Formulierungen („Ich kündige Ihnen wegen Eigenbedarfs“) genügen nicht. Der Mieter muss anhand des Kündigungsschreibens prüfen können, ob Eigenbedarf besteht.

Aus den oben genannten Gründen sollten der Hinweis auf das Widerspruchsrecht und die Widerspruchsfrist ebenso wenig fehlen wie ein Widerspruch gemäß § 545 BGB gegen eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses.

Sofern das Mietverhältnis noch nicht 5 Jahre bestanden hat, ist die Eigenbedarfskündigung bis spätestens zum 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Für den Vermieter verlängert sich die Kündigungsfrist nach 5 und nach 8 Jahren jeweils um 3 Monate.

Wichtig ist, dass die Kündigung dem bzw. den Mieter(n) nachweislich rechtzeitig zugeht. Wir empfehlen die Zustellung durch einen Boten, der das Kündigungsschreiben zuvor gelesen und sich von der Einhaltung der Formvorschriften vergewissert hat.

7.Muster

Zustellung durch Zeugen

An
Monika Muster                          Veronika Vermieter
Max Muster                             Volker Vermieter
Musterstraße 1                         Musterstraße 2
01234 Muster                           01234 Muster

Betr.: Kündigung des Mietvertrages

Sehr geehrte Frau Muster,
sehr geehrter Herr Muster,

hiermit erklären wir die

             ordentliche Kündigung

des Mietvertrages vom __________ über die Wohnung in der _________________ unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum ____________, hilfsweise zum nächsten zulässigen Termin.

Die Kündigung erfolgt wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

     (Eigenbedarf ausführlich und detailliert beschreiben)

Nach § 574 BGB können Sie der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn Sie der Auffassung sind, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für Sie oder zu Ihrem Hausstand gehörende Personen eine unbillige Härte bedeuten würde, die auch unter Berücksichtigung der Vermieterinteressen nicht hinzunehmen wäre. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und uns zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist zugehen. Er sollte ferner begründet sein.

Einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses (§ 545 BGB) wird bereits an dieser Stelle ausdrücklich widersprochen.

Die Wohnung ist bis zum ____________ in vertragsgerechtem Zustand zurückzugeben. Bitte kontaktieren Sie uns zur Vereinbarung eines Übergabetermins.

Mit freundlichen Grüßen

eigenhändige Unterschrift        eigenhändige Unterschrift
Veronika Vermieter               Volker Vermieter

(ggf. Anlage: Vollmacht im Original bei Stellvertretung)

Ellen Taufkirch
angestellte Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

Patrick Geiger
angestellter Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

Strba Rechtsanwälte
Rechts- und Fachanwälte Frankfurt am Main