Am 07.03.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Kann der Arbeitgeber an dem ersten Tag der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen?“ beschäftigt.
Frau V. ist als Verkäuferin in einem Haushaltswarengeschäft tätig. Wegen starker Knieschmerzen ist sie in der vergangenen Zeit häufiger für ein oder zwei Tage zu Hause geblieben, da sie nicht arbeitsfähig war. Ihr Chef verlangt nun, dass Frau V. zukünftig vom ersten Tag der Erkrankung an eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen soll. Die Leserin fühlt sich zu Unrecht verdächtigt und fragt, ob ihr Arbeitgeber dazu berechtigt ist.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 14. 11. 2012 (Aktenzeichen 5 AZR 886/11) entschieden, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, bereits vom ersten Tag der Erkrankung an eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen, ohne hierfür einen besonderen Grund zu benötigen.
Das Urteil ist auf ein breites Echo in den Medien gestoßen. Hierzu ist anzumerken, dass das vom BAG gefundene Ergebnis nicht so überraschend ist; wie bisweilen dargestellt wird. Das Recht des Arbeitgebers, die Bescheinigung auch dann zu verlangen, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als drei Tage dauert, ergibt sich eindeutig aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 5 Abs. 1 Satz 3, EFZG). Für Rechtssicherheit hat das Urteil insoweit gesorgt, als das BAG entschieden hat, dass das Verlangen nicht an einen Grund gebunden ist. Insbesondere setzt es nicht voraus, dass ein begründeter Verdacht gegen den Mitarbeiter besteht, dieser habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht.
Der Arbeitgeber ist somit in seiner Entscheidung frei, ob er die Vorlage der Bescheinigung bereits vom ersten Tag an fordert. Das Verlangen kann entweder bereits im Voraus für zukünftige Erkrankungen erklärt werden, aber auch noch nach erfolgter Krankmeldung. Der Arbeitnehmer, der mitteilt, aus gesundheitlichen Gründen an einem Tag nicht zur Arbeit zu kommen, kann somit verpflichtet werden, sich noch am selben Tag zum Arzt zu begeben. Soweit möglich, muss das Attest noch am ersten Tag der zuständigen Person im Betrieb übergeben werden.
Der Arbeitgeber muss ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten. Dies greift dann ein, wenn eine generelle Anordnung an die Belegschaft ergeht, am ersten Tag eine Bescheinigung vorzulegen. Trifft die Aufforderung jedoch nur einzelne Arbeitnehmer, muss der Betriebsrat nicht eingebunden werden.
Zu beachten ist, dass sich die Pflicht zur frühen Vorlage der Arbeitsbescheinigung bisweilen auch in einer der Klauseln des Arbeitsvertrages findet. Frau V. sollte daher der Aufforderung Ihres Chefs unbedingt Folge leisten. Anderenfalls riskiert sie eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt