Verkürzt die Auszahlung des Urlaubs das Arbeitslosengeld?

Am 13.11.2015 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen eine Urlaubsabgeltung auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Herr N. hat von seinem Arbeitgeber Post bekommen. Dieser schlägt ihm den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 31. Oktober vor. Um einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zu schaffen, bietet der Chef Herrn N. an, außer einer Abfindung von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr auch die bisher nicht genommenen 20 Urlaubstage finanziell abzugelten. Der Leser fragt, welche Auswirkungen die Urlaubsabgeltung auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben könnte.

Nach dem Gesetz ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 157 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch, kurz: SGB III). Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Damit ist Folgendes gemeint: Solange der Anspruch auf das Arbeitslosengeld ruht, wird dieses nicht gezahlt. Der Zeitraum wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, bis wann das Arbeitsverhältnis hypothetisch gedauert hätte, wenn der Arbeitnehmer Urlaub unmittelbar nach dem Tag, an dem der Arbeitsvertrag sein Ende gefunden hat, in Anspruch genommen hätte.

Am Beispiel von Herrn N. sieht das wie folgt aus: Hätte er den Urlaub unmittelbar nach dem 31. Oktober genommen, hätte das Arbeitsverhältnis hypothetisch bis zum 28. November gedauert (20 Urlaubstage entsprechen bei einer Fünf-Tage-Woche 28 Kalendertagen). Herr N. würde somit bis zum 28. November kein Arbeitslosengeld erhalten. Anschließend kann er aber den Anspruch auf Arbeitslosengeld ungeschmälert geltend machen. Das Ruhen führt nicht dazu, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt wird, sondern verschiebt den Bezugszeitraum lediglich nach hinten.

Sollte sich Herr N. auf den Vorschlag seines Arbeitgebers einlassen, würde er somit zunächst kein Arbeitslosengeld erhalten. Seinen Lebensunterhalt müsste er aus der Urlaubsabgeltung bestreiten.

Eine finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs dürfte somit nur dann reizvoll für Herrn N. sein, wenn er eine neue Arbeitsstelle in Aussicht hätte und daher nicht auf Arbeitslosengeld angewiesen wäre.

Sollte Herr N. unmittelbar eine neue Beschäftigung antreten, diese aber später wieder verlieren, könnte er trotz Urlaubsabgeltung Arbeitslosengeld ab dem ersten Tag verlangen. Denn der Ruhenszeitraum beginnt auch dann mit Ende des Arbeitsverhältnisses, aus dem die Urlaubsabgeltung stammt, zu laufen, wenn sich der Betroffene nicht sofort arbeitslos meldet, zum Beispiel, weil er eine Anschlussbeschäftigung gefunden hat. Dies folgt daraus, dass der Ruhenszeitraum nach dem Wortlaut des Gesetzes stets mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene anschließend arbeitslos ist oder nicht.

Abschließend soll noch auf Folgendes hingewiesen werden: Erfüllt der Arbeitgeber einen bestehenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht, kommt das Ruhen nicht zum Tragen, und es wird Arbeitslosengeld gezahlt (sogenannte Gleichwohlgewährung). Der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung geht dann auf die Arbeitsagentur über, die beim Arbeitgeber Regress nehmen kann.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt