In einem am 14.05.2016 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichen Beitrag haben wir erläutert, dass der Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer während einer Vollzeitbeschäftigung erworben hat, beim Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung nicht gekürzt werden darf.
Herr W. ist als Angestellter in einer Behörde beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung. Er hat mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass er seine Arbeitszeit vom 1. Juli 2016 an reduziert und statt an fünf nur noch an drei Tagen in der Woche tätig wird. Herr W. fragt nun, wie sich dies auf seinen Urlaubsanspruch, der bei einer Fünf-Tage-Woche 30 Arbeitstage beträgt und von dem er für das laufende Jahr noch keinen Tag in Anspruch genommen hat, auswirkt.
Gemäß Paragraph 26 Absatz 1 Satz 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch bei einer anderen Verteilung der Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche entsprechend. Dies würde bei einer Reduzierung der Arbeitstage von fünf auf drei in der Woche bedeuten, dass der jährliche Urlaubsanspruch statt 30 Arbeitstage nur noch 18 beträgt. Mit diesen 18 Arbeitstagen Urlaub könnte Herr W., wie zuvor mit 30 Tagen, der Arbeit sechs Wochen fernbleiben, da er ja für jede Woche der Abwesenheit nur noch drei Urlaubstage nehmen müsste. Ihm scheint somit kein Nachteil zu erwachsen.
Tatsächlich stehen Herrn W. aber nach seinem Wechsel in die Teilzeitbeschäftigung mehr als 18 Arbeitstage zu, wie sich aus einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2015 (Aktenzeichen 9 AZR 53/14) ergibt. Demnach ist die eingangs erwähnte Regelung insoweit unwirksam, als sie die Zahl der während einer Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage mindert. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verstößt eine solche Minderung des Urlaubsanspruchs gegen das in Paragraph 4 Absatz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge normierte Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter.
Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Herr W. behält den Urlaubsanspruch, den er während seiner Vollzeittätigkeit im Zeitraum von Januar bis Juni erwirbt. 30 Arbeitstage Urlaub im Jahr ergeben, auf ein halbes Jahr umgerechnet, 15 Urlaubstage. Hinzu kommt der Urlaub für das zweite Halbjahr 2016. Dieser ist nun wie folgt zu berechnen: Bei einer Drei-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch 18 Arbeitstage pro Jahr. Für ein halbes Jahr ergeben sich hieraus neun Urlaubstage. Die 15 Urlaubstage für das erste Halbjahr und die 9 Urlaubstage für das zweite Halbjahr 2016 ergeben in der Summe 24 Urlaubstage. Sollte Herr W. seinen vollen Jahresurlaub nach dem 30. Juni nehmen, könnte er somit volle acht Wochen von der Arbeit fernbleiben. Er steht somit, was die Dauer des Urlaubs angeht, besser da als vor seinem Wechsel in die Teilzeitarbeit.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt