Unser nachstehender Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30.07.2015 behandelt die Frage, wie die Wartezeit nach § 1 Kündigungsschutzgesetz berechnet wird und ob sie sich infolge Krankheit verlängert.
Frau J. schloss im Dezember 2014 einen Arbeitsvertrag mit einer größeren Werbeagentur in Frankfurt ab. Dieser sah vor, dass sie ab dem 5. Januar 2015 als Grafikdesignerin tätig wird. Da Frau J. erkrankte, konnte sie ihre Arbeit erst am 29. Januar 2015 aufnehmen. Am 6.Juli 2015 ging ihr dann ein Kündigungsschreiben zu. Frau J. ist der Ansicht, dass die Kündigung erst nach der Wartezeit ausgesprochen wurde und daher unwirksam sei. Die Arbeitgeberin hingegen steht auf dem Standpunkt, wegen der Erkrankung habe sich die Wartezeit verlängert. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so wäre der letzte Tag der Wartezeit jedenfalls auf einen Samstag gefallen. Daher habe Frau J. noch am 6. Juli 2015 grundlos gekündigt werden dürfen, meint die Arbeitgeberin. Doch stimmt das auch? Oder hat vielmehr die Grafikdesignerin recht?
Der Begriff der Wartezeit bezeichnet den Zeitraum von sechs Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses. Er ist nicht zu verwechseln mit der sogenannten Probezeit. Während die Probezeit maßgeblich dafür ist, mit welcher Frist gekündigt werden kann, entscheidet die Wartezeit darüber, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, das heißt, ob ein Kündigungsgrund erforderlich ist. Die Wartezeit gilt kraft Gesetzes, die Probezeit muss hingegen zwischen den Parteien vereinbart werden. Sollte die Wartezeit im vorliegenden Fall bei Zugang der Kündigung bereits abgelaufen sein, wäre die Entlassung nur wirksam, wenn sie auf personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe gestützt werden könnte.
Maßgeblich für den Beginn der Wartezeit ist der rechtliche Beginn des Arbeitsverhältnisses. Dies ist im Regelfall der Tag, an dem die Arbeit aufgenommen werden soll. Beginnt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit später als vereinbart, zum Beispiel wegen einer Erkrankung, so ändert dies nichts am Beginn und dem Lauf der Wartezeit. Die sechs Monate endeten, vom 5.Januar an gerechnet, am 4. Juli 2015. Dies war ein Samstag. Es gibt eine gesetzliche Norm (§193 BGB), die folgendes besagt: Ist innerhalb einer Frist eine Willenserklärung (etwa eine Kündigung) abzugeben und fällt der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Samstag, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Demnach könnte die am Montag, 6. Juli 2015, zugestellte Kündigung noch innerhalb der Wartezeit zugegangen sein. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch mit Urteil vom 24.Oktober 2013 (Aktenzeichen 2 AZR 1057/12) entschieden hat, wird § 193 BGB auf die Berechnung der Wartezeit nicht angewendet. Demnach verlängert sich der Zeitraum von sechs Monaten nicht, selbst wenn sein letzter Tag auf einen Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt.
Das Kündigungsschreiben ging außerhalb der Wartezeit zu. Frau J. genießt Kündigungsschutz. Das Arbeitsverhältnis endete nur dann, wenn ein Kündigungsgrund besteht. Will sich die Leserin gegen die Kündigung wehren, so muss sie in jedem Fall innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Erhalt des Schreibens Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt erheben.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt