Am 26.06.2015 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Frage beschäftigt, welche Kündigungsfrist maßgeblich ist, wenn die vertraglich vereinbarte von der gesetzlichen abweicht.
Herr C. arbeitet seit mehr als 20 Jahren in demselben Unternehmen in Frankfurt. Er ist in dieser Zeit zum Leiter des Controllings aufgestiegen. Nun wurde beschlossen, das Unternehmen stillzulegen. Herr C. erhielt daher am 15. Juni die betriebsbedingte Kündigung. Diese wurde zum 31. Dezember ausgesprochen. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass die Kündigungsfrist für beide Seiten sechs Monate betrage und die Kündigung nur zum 30. Juni oder 31. Dezember eines Jahres ausgesprochen werden dürfe. Herr C. ist der Meinung, in Anbetracht seiner langen Betriebszugehörigkeit gelte eine längere Kündigungsfrist als sechs Monate. Hat der Leser damit recht?
Das Gesetz (§ 622 Abs. 2 BGB) bestimmt, welche Kündigungsfristen der Arbeitgeber einzuhalten hat. Deren Dauer nimmt mit der Anzahl der Jahre zu, in denen ein Arbeitsverhältnis besteht. Die längste vom Gesetz vorgesehene Kündigungsfrist beträgt sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats und gilt ab einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren (vgl. § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB). Von den im Gesetz aufgeführten Fristen darf zu Lasten des Arbeitnehmers nur durch Tarifvertrag abgewichen werden. Findet kein Tarifvertrag Anwendung, sind Abreden über die Verkürzung der Kündigungsfristen unwirksam.
Stets zulässig ist es, zugunsten des Arbeitnehmers längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen zu vereinbaren. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die vertragliche Regelung, die eine Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten nur zum 30. Juni oder zum 31. Dezember erlaubt, in bestimmten Fällen günstiger ist als die gesetzliche Regelung (sieben Monate zum Monatsende). In anderen Fällen ist sie hingegen ungünstiger. Bei Anwendung der gesetzlichen Frist hätte die am 15. Juni ausgesprochene Kündigung erst zum 31. Januar 2016 erklärt werden dürfen.
Bei einer Kündigung im Juli 2015 würde sich bei Anwendung der gesetzlichen Frist das Beendigungsdatum 29. Februar 2016 ergeben. Die vertragliche Frist von sechs Monaten zum Ende eines Halbjahres hätte hingegen zur Folge, dass im Juli 2015 erst zum 30. Juni 2016 gekündigt werden könnte. Berechnet man für jeden einzelnen Monat, zu welchem Zeitpunkt eine in ihm ausgesprochene Kündigung wirkt, zeigt sich, über das Jahr betrachtet, dass die vertragliche Kündigungsfrist im Fall von Herrn C. häufiger zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt als die gesetzliche. Dies könnte dafür sprechen, dass die vertragliche Regelung günstiger ist als das Gesetz und die Kündigung zum 31. Dezember 2015 ausgesprochen werden durfte.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29.01.2015, 2 AZR 280/14) hat jedoch entschieden, dass eine vertragliche Kündigungsfrist nur dann günstiger für den Arbeitnehmer ist und somit Vorrang vor der gesetzlichen genießt, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Dies ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall, so dass die gesetzliche Frist von sieben Monaten zum Monatsende Anwendung findet und das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31. Januar 2016 enden wird.
Herr C. sollte deshalb innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben, um keine Nachteile zu erleiden.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt