Am 05.09.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Zurückbehaltungsrecht (Verweigerung der Arbeit) bei Lohnrückständen“ beschäftigt.
Herr K. ist als Maurermeister in einem kleinen Bauunternehmen beschäftigt. Wegen der schlechten Auftragslage befindet sich der Arbeitgeber in finanziellen Schwierigkeiten und hat deshalb das Gehalt für die letzten zwei Monate nicht gezahlt. Herr K. fragt, ob er die Fortsetzung seiner Arbeit verweigern kann, bis ihm der rückständige Lohn nachgezahlt wird, oder ob er dann mit Sanktionen rechnen muss.
Arbeitsleistung und Gehalt stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Hat eine Vertragspartei einen fälligen Anspruch gegen die andere und wird dieser nicht erfüllt, kann sie ihre eigene Leistung verweigern, bis sie die Gegenleistung erhält. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 273 BGB) räumt ein sogenanntes Zurückbehaltungsrecht ein. Im Fall des Lohnrückstandes kann sich der Arbeitnehmer daher weigern, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen.
Das Zurückbehaltungsrecht unterliegt jedoch bestimmten Grenzen. So rechtfertigen ein verhältnismäßig geringfügiger Lohnrückstand oder eine nur kurzfristige Verzögerung der Zahlung die Niederlegung der Arbeit nicht. Steht das Gehalt, wie hier, für zwei Monate aus, handelt es sich um einen erheblichen Rückstand. Herr K. kann daher von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen.
Er muss gegenüber dem Arbeitgeber deutlich zum Ausdruck bringen, dass er die Arbeitsleistung wegen des Gehaltsrückstandes einstellt. Dies sollte aus Beweisgründen schriftlich erfolgen. Erst wenn das Gehalt nachgezahlt wurde, muss Herr K. seine Arbeit wieder aufnehmen. Durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts seitens des Arbeitnehmers gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug. Dieser dauert so lange, bis der Lohnrückstand ausgeglichen wurde.
Der Annahmeverzug hat zur Folge, dass Herr K. auch für den Zeitraum, in dem er seine Arbeit zu Recht verweigert hat, Anspruch auf seinen Lohn hat. Er erhält somit eine Vergütung, ohne dass er hierfür gearbeitet hat. Der Grundsatz “Ohne Arbeit kein Lohn” wird in diesem Fall durchbrochen. Weil die Verweigerung der Arbeit zu Recht erfolgt, kann der Arbeitgeber nicht mit einer Abmahnung oder gar Kündigung hierauf reagieren.
Für den Fall, dass die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nicht zur baldigen Nachzahlung des Lohnes führt, sollte Herr K. überlegen, sich arbeitslos zu melden. Dies ist möglich, obwohl er sich noch in einem Arbeitsverhältnis befindet. Mit dem Arbeitslosengeld könnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Erhält ein Arbeitnehmer kein Gehalt, kann er trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld bekommen (“Gleichwohlgewährung”). Dies setzt aber voraus, dass er tatsächlich nicht beschäftigt wird. Wer arbeitet, aber kein Gehalt bekommt, erhält auch kein Arbeitslosengeld. Durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts und die damit verbundene Nichtbeschäftigung eröffnet sich Herr K. die Möglichkeit, Geld von der Arbeitsagentur zu erhalten.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt