Am 09.08.2012 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Vorrübergehende Weiterbeschäftigung nach Kündigung – Was muss der Arbeitnehmer akzeptieren “ beschäftig.
Frau N. arbeitet seit 2000 als Chefsekretärin in einem Wiesbadener Unternehmen. Da ihr Vorgesetzter in den Ruhestand getreten ist, hat sie eine betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni erhalten. Hiergegen klagt Frau N. Da der Prozess noch andauert, bietet ihr der Arbeitgeber eine vorübergehende Weiterbeschäftigung an. Allerdings soll Frau N. nicht mehr als Chefsekretärin eingesetzt werden, sondern nur noch einfache Aufgaben erledigen, etwa Schreiben nach Diktat und telefonieren. Diese Arbeiten hat Frau N. bisher auch schon ausgeübt, sie waren jedoch nur Teil deutlich anspruchsvollerer Aufgaben. Die Leserin fragt, welche Auswirkungen es hätte, wenn sie dieses Angebot nicht annähme.
Das Angebot des Unternehmens hat folgenden Hintergrund: Erklärt das Gericht die Kündigung für unwirksam, muss der Arbeitgeber die Vergütung auch dann nachzahlen, wenn er Frau N. nicht beschäftigt hat. Man spricht vom sogenannten Annahmeverzugslohn. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch gemäß § 11 Kündigungsschutzgesetz auf den Lohn das Geld anrechnen lassen, das er anderweitig verdient hat oder hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Bietet sich dem gekündigten Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine neue Stelle anzutreten, und lehnt er diese ab, droht somit der vollständige oder zumindest teilweise Verlust des Anspruchs auf Nachzahlung des Gehaltes.
Bei der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit kann es sich auch um eine Arbeit bei dem Unternehmen handeln, das die Kündigung erklärt hat. Es muss sich dabei nicht um eine Stelle handeln, auf die der Arbeitnehmer kraft seines Arbeitsvertrages Anspruch hätte. Angeboten werden darf vielmehr auch eine “vertragswidrige Tätigkeit”. Ausreichend ist, dass die offerierte Beschäftigung zumutbar ist. Hierzu zählen Tätigkeiten, die den Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des Arbeitnehmers sowie seiner bisherigen Lebensstellung entsprechen. Selbst wenn Frau N. laut Arbeitsvertrag als Chefsekretärin beschäftigt werden müsste, kann sie sich hierauf im vorliegenden Zusammenhang nicht berufen. Die bloße Übertragung eines Teils ihrer bisherigen Aufgaben bei unverändertem Gehalt dürfte eine zumutbare anderweitige Beschäftigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes darstellen.
Sollte Frau N. das Angebot ablehnen, müsste sie sich den erzielbaren Verdienst anrechnen lassen. Da dieser dem bisherigen Gehalt entspricht, würde der Annahmeverzugslohn im Ergebnis null betragen. Frau N. sollte das Angebot daher annehmen. Sie erhält so bis zum Ende des Rechtsstreits ihr bisheriges Gehalt weiter, unabhängig davon, ob sich die Kündigung später als wirksam erweist. Frau N. würde auch nicht ihre frühere Position preisgeben. Erklärt das Gericht die Kündigung für unwirksam, kann Frau N. verlangen, wieder als Chefsekretärin beschäftigt zu werden.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt