Am 09.02.2012 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Diskriminierung durch Stellenanzeige“ beschäftigt.
Frau K. bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, mit der ein “Steuerberater” gesucht wird. Die Anzeige lässt auch anhand des übrigen Ausschreibungstextes den Rückschluss zu, dass sie sich nur an männliche Bewerber richtet. Frau K. übersendet ihre umfangreiche Bewerbungsmappe trotzdem. Nach einiger Zeit erhält sie eine Absage. Frau K. fragt, ob sie in Anbetracht des Umstandes, dass die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral gestaltet gewesen sei, einen Anspruch auf Entschädigung habe.
Gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 11 AGG) darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden. Das AGG verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Unter den Begriff der Ausschreibung im Sinne des § 11 AGG fallen sowohl öffentliche (etwa Zeitungsanzeigen) als auch betriebsinterne Stellenausschreibungen (etwa Aushang am Schwarzen Brett, Intranet). Stellenanzeigen sind daher geschlechtsneutral zu formulieren.
Dies hätte im vorliegenden Fall etwa durch die Formulierung “Steuerberater/in” oder “Steuerberater (m/w)” erfolgen können. Die nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung stellt ein Indiz dafür dar, dass Frau K. wegen ihres Geschlechts bei der Auswahl benachteiligt wurde. Das Steuerbüro muss daher die Vermutung der Diskriminierung widerlegen.
Hierfür reicht es nicht, darzulegen, dass ein anderer Bewerber besser geeignet ist. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, dass das Geschlecht von Frau K. bei der Auswahlentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hat.
Darüber hinaus kann der Inserent einen Entschädigungsanspruch abwehren, indem er beweist, dass der Bewerber sich nicht ernsthaft um die Stelle beworben hat oder objektiv für diese nicht in Betracht kam. Beispiele hierfür sind zum Beispiel eine unsorgfältig gestaltete Bewerbung, massenhafte Bewerbungen auf diskriminierende Anzeigen mit dem Ziel, Entschädigungen zu generieren oder eine offensichtliche Über- beziehungsweise Unterqualifikation.
Gelingt dem Steuerbüro einer dieser Nachweise nicht, hat Frau K. einen Entschädigungsanspruch. Die Höhe der Entschädigung ist vom Arbeitsgericht nach seinem Ermessen festzusetzen. Dabei stehen verschiedene Kriterien zur Verfügung, etwa die “abschreckende Wirkung”, um den Arbeitgeber von zukünftigen Verstößen abzuhalten, der Grad des Verschuldens (Fahrlässigkeit oder Vorsatz), die Schwere der Beeinträchtigung der diskriminierten Person und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers.
Wäre Frau K. auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, darf die Entschädigung drei Monatsgehälter nicht übersteigen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG). Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 13. September 2011, 17 U 99/10) hat zum Beispiel im Fall einer nicht geschlechtsneutralen Ausschreibung einer Stelle als Geschäftsführer ein Monatsgehalt als Entschädigung zugesprochen.
Frau K. muss den Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend machen und den Anspruch gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten nach Geltendmachung beim Arbeitsgericht einklagen. Anderenfalls verfällt er.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt