Am 19.08.2010 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Betriebsübergang“ beschäftigt.
Herr Z. ist seit einigen Jahren als Facharbeiter in einer Maschinenfabrik im Rhein-Main-Gebiet beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Der Betrieb, in dem er arbeitet, wurde vom früheren Inhaber im vergangenen Jahr verkauft. Anders als der alte Betriebsinhaber, ist der neue nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. Er ist nicht bereit, den Tariflohn weiterzuzahlen und forderte daher die Mitarbeiter auf, einer Reduzierung des Gehaltes zuzustimmen. Herr Z. hat aus Angst um seinen Arbeitsplatz eingewilligt. Er verdient daher seit dem 1. Januar 2010 anstatt rund 2500 Euro nur noch 2100 Euro brutto. In der Zwischenzeit sind ihm Zweifel gekommen, ob das Verhalten seines neuen Arbeitgebers rechtmäßig war.
Im Fall von Herrn Z. hat ein sogenannter Betriebsübergang stattgefunden (§ 613 a BGB). Übernimmt ein Erwerber einen Produktionsbetrieb, indem er die wesentlichen Betriebsmittel (Gebäude, Maschinen, Patente) kauft und die bisherige Organisationsstruktur weiterführt, so tritt er in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein. Er wird somit kraft Gesetzes neuer Arbeitgeber an Stelle des bisherigen Inhabers.
Die Arbeitnehmer haben allerdings ein Widerspruchsrecht. Wenn sie dieses ausüben, besteht das Arbeitsverhältnis des bisherigen Arbeitgebers fort. Kann dieser jedoch keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bieten, so droht dem widersprechenden Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung. Herr Z. hat dem Übergang nicht widersprochen.
Das Arbeitsverhältnis geht grundsätzlich mit bestehendem Inhalt auf den neuen Arbeitgeber über. Die Parteien können den Inhalt jedoch einvernehmlich abändern, etwa ein geringeres Gehalt vereinbaren. Auch Rechte und Pflichten aus einem Tarifvertrag werden zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber und dürfen innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang auch dann nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden, wenn der neue Arbeitgeber, wie im Fall von Herrn Z., nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist. Das Änderungsverbot gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer einer Verschlechterung zustimmt.
Vom Änderungsverbot gibt es verschiedene Ausnahmen. Es greift nicht, wenn der Tarifvertrag nicht mehr gilt, etwa weil seine Laufzeit endete. Auch können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung eines anderen Tarifvertrages (der etwa ein geringeres Gehalt vorsieht) vereinbaren. Beide Ausnahmen liegen hier nicht vor. Für Herrn Z. bedeutet dies, dass er an die Zustimmung zur Gehaltsreduzierung nicht gebunden ist. Er hat einen Anspruch auf Nachzahlung der Differenz zwischen dem gezahlten Gehalt und dem Tariflohn.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt