Am 15.08.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Zählen Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Betriebsgröße?“ beschäftigt.
Herr C. ist seit vier Jahren im Lager einer Spedition in Frankfurt tätig. Sein Arbeitgeber hat ihm zum 30. September dieses Jahres mit der Begründung gekündigt, es sei nicht ausreichend Arbeit vorhanden. Im Unternehmen gibt es elf Vollzeitstellen. Zwei hiervon werden dauerhaft durch – regelmäßig wechselnde -Leiharbeitnehmer besetzt. Diese werden ebenfalls für die Arbeit im Lager eingesetzt. Der Leser fragt, ob er sich erfolgreich gegen die Kündigung zur Wehr setzen könne.
Die Erfolgsaussichten einer Klage hängen entscheidend davon ab, ob Herr C. nach dem Kündigungsschutzgesetz (§1, KSchG) Kündigungsschutz genießt. Voraussetzung (nach § 23 KSchG) ist, dass in dem Betrieb, dem er angehört, regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (sogenannter Schwellenwert). Im vorliegenden Fall wäre dies nur dann der Fall, wenn die im Betrieb eingesetzten Leiharbeiter bei der Berechnung des Schwellenwertes mitzählten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Januar dieses Jahres (2 AZR 140/12) entschieden, dass Leiharbeitnehmer unter Umständen bei der Bestimmung der Betriebsgröße zu berücksichtigen sind. Das BAG hat sich damit gegen die bislang vorherrschende Ansicht gewandt, die sich gegen eine Berücksichtigung aussprach.
Begründet wird dies mit dem Zweck, Kleinbetriebe aus dem allgemeinen Kündigungsschutz herauszunehmen. In Kleinbetrieben finde häufig eine enge persönliche Zusammenarbeit statt, sie wiesen regelmäßig eine geringere Finanzausstattung auf, häufig seien sie außerstande, Abfindungen zu zahlen oder weniger leistungsfähiges Personal mitzutragen. Zudem belaste der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringe, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen. Es mache, so das BAG, in Anbetracht dieser Gründe keinen Unterschied, ob der Betrieb mehr als zehn eigene Arbeitnehmer beschäftige oder einen Personalbedarf in dieser Größe durch Leiharbeitnehmer abdecke.
Leiharbeitnehmer zählen aber nicht in jedem Fall bei der Bestimmung der Betriebsgröße mit. Grund hierfür ist, dass das Kündigungsschutzgesetz (§ 23) auf die Zahl der “in der Regel” beschäftigten Arbeitnehmer abstellt. Maßgebend ist somit die Beschäftigtenzahl, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind nicht zu berücksichtigen. Daher bleiben Leiharbeitnehmer unberücksichtigt, die zur Vertretung von abwesenden Stammkräften oder zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt werden. Sie zählen hingegen dann mit, wenn sie auf einem dauerhaft bestehenden Arbeitsplatz eingesetzt werden, unabhängig davon, ob dieser zuvor mit einer Stammkraft oder einem anderen Leiharbeitnehmer besetzt war.
Da in Herrn C.s Unternehmen Letzteres der Fall ist, werden die beiden Leiharbeitnehmer in die Berechnung einbezogen, so dass § 1 KSchG auf Herrn C. Anwendung findet. Er hat gute Chancen, die Kündigung erfolgreich anzugreifen. Mangelt es an Beschäftigungsbedarf, so muss der Arbeitgeber Herrn C. auf einem Arbeitsplatz einsetzen, den derzeit einer der Leiharbeitnehmer innehat und gegebenenfalls auf dessen Einsatz verzichten.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt