Am 15.09.2011 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Prozessbeschäftigung“ beschäftigt.
Herr V. war als Lagerist in einer Spedition tätig. Wegen seiner häufigen krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten erhielt er von seinem Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung. Dagegen hat er Kündigungsschutzklage erhoben. Die Kündigungsfrist endete am 31. August, das Verfahren vor dem Arbeitsgericht wird sich noch einige Zeit hinziehen. Der Arbeitgeber unterbreitet Herrn V. den Vorschlag, bis zum Abschluss des Prozesses bei ihm weiterzuarbeiten. Herr V. fragt, ob er dieses Angebot annehmen soll.
Wird ein Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung nicht weiterbeschäftigt und entscheidet das Arbeitsgericht, dass diese unwirksam ist, muss der Arbeitgeber sogenannten Annahmeverzugslohn leisten. Laut Gesetz (§ 615 BGB) hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber, der die Entgegennahme der Arbeitsleistung verweigert, einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er erhält somit Geld, ohne hierfür gearbeitet zu haben.
Das Angebot des Arbeitgebers von Herrn V. soll verhindern, Gehalt zahlen zu müssen, ohne eine Arbeitsleistung zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es im Fall einer personenbedingten Kündigung zumutbar, bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses beim bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten. Nimmt der Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot nicht wahr, kann hierin ein böswilliges Unterlassen liegen. Dieses wiederum kann dazu führen, dass das Gehalt, das Herr V. hätte verdienen können, auf den Annahmeverzugslohn angerechnet wird. Herr V. läuft somit, wenn er das Angebot ausschlägt, Gefahr, kein Gehalt für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erhalten, selbst wenn er den Prozess gewinnen sollte.
Die sogenannte Prozessbeschäftigung endet, sobald der Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen wurde. Hat die Kündigungsschutzklage Erfolg, besteht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis fort. Erweist sich die Kündigung als wirksam, endet die Prozessbeschäftigung, sobald dies die letzte gerichtliche Instanz endgültig entschieden hat.
Die Vereinbarung über das Beschäftigungsverhältnis während des Prozesses muss grundsätzlich schriftlich erfolgen. Zum Teil wird sogar die Auffassung vertreten, dass sie im Wege eines gerichtlichen (Zwischen-)Vergleichs geschlossen werden muss. Wird dies nicht berücksichtigt, wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Der Grundsatz, dass die Prozessbeschäftigung mit dem Rechtsstreit endet, gilt dann nicht. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in diesem Fall selbst dann weiterbeschäftigen, wenn die Kündigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses wirksam war. Auch dies kann dafür sprechen, auf den Vorschlag, vorübergehend weiterzuarbeiten, einzugehen.
Wolfgang Strba
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt