Am 13.06.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Wann verfällt der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub bei einer Langzeiterkrankung?“ beschäftigt.
Herr Z. ist 61 Jahre alt und Angestellter bei einer Bundesbehörde. Er arbeitet an fünf Tagen in der Woche. Seit Januar 2012 war er durchgehend wegen Krankheit arbeitsunfähig. Anfang Juni 2013 kehrte Herr Z. an den Arbeitsplatz zurück. Er ist der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2012 noch bestehe. Sein Arbeitgeber sieht das anders und will Herrn Z. für 2012 nur den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen gewähren, den tariflichen Mehrurlaub jedoch verfallen lassen. Wie ist die Rechtslage?
Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (§ 26, TVöD) beträgt der Erholungsurlaub nach Vollendung des 55. Lebensjahres 30 Arbeitstage jährlich. Damit geht der Anspruch über den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen (bei einer Fünftagewoche) hinaus. Urlaub, der wegen einer Erkrankung nicht genommen werden konnte, wird grundsätzlich in den Zeitraum nach der Genesung übertragen.
Dies gilt aber nur eingeschränkt. So verfällt der gesetzliche Anspruch fünfzehn Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, obwohl er wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte. Für Mehrurlaub über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus kann im Tarif- oder im Arbeitsvertrag vorgesehen werden, dass er noch früher verfällt. Es müssen sich aber klare Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass der Mehr-abweichend vom Mindesturlaub behandelt werden soll. Andernfalls besteht ein “Gleichlauf”, und der gesamte Urlaubsanspruch verfällt nach einheitlichen Bedingungen, das heißt 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
In Bezug auf den TVöD hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Tarifvertragsparteien den Mehrurlaub anders behandelt wissen wollen als den gesetzlichen Mindesturlaub (BAG, Urteil vom 22.05.2012, 9 AZR 575/10). Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst unterscheidet zwar nicht ausdrücklich zwischen Mindest-und tariflichem Mehrurlaub. Es gebe jedoch erhebliche Abweichungen vom gesetzlichen “Fristenregime”, so das BAG. So sieht das Bundesurlaubsgesetz (§ 7) eine Übertragungsmöglichkeit bis zum 31. März des Folgejahres vor, wenn der Urlaub aus persönlichen oder betrieblichen Gründen nicht bis zum Jahresende genommen werden konnte. Nach dem TVöD kann der Urlaub noch bis zum 31. Mai angetreten werden.
Aus den Abweichungen des Tarifvertrages vom Gesetz hat das BAG geschlossen: Ein Gleichlauf von Mehr-und Mindesturlaub sei nicht gewollt. Daher gelte: Der Mehrurlaub erlischt, wie im TVöD vorgesehen, am 31. Mai des Folgejahres, wenn er wegen einer Erkrankung nicht genommen werden konnte. Der Anspruch von Herrn Z. auf die zehn Tage Mehrurlaub ist somit am 31. Mai erloschen. Er kann nur noch die 20 Tage Mindesturlaub aus 2012 in Anspruch nehmen.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Arbeitsrecht in Frankfurt