Am 19.05.2011 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „betriebsbedingte Kündigung auf der Grundlage einer Namensliste “ beschäftigt.
Herr N. aus Frankfurt arbeitet seit 15 Jahren als Angestellter in einem Unternehmen, das jetzt angekündigt hat, aus Kostengründen weite Teile des Betriebs in die Zentrale nach München zu verlagern. Nur noch ein kleiner Teil der Produktion und der Verwaltung soll in Frankfurt bleiben, 30 Beschäftigten soll betriebsbedingt gekündigt werden. Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen einen Interessenausgleich mit “Namensliste”. Herr N. steht auch auf der Liste, obwohl er in seiner Abteilung, die nicht komplett geschlossen wird, einer der Ältesten und außerdem verheiratet ist und zwei Kinder hat. Als Entschädigung für den Personalabbau macht der Arbeitgeber Abfindungsangebote. Herr N. soll für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Monatsgehalt bekommen. Er will wissen, wie sich die Abfindung auf ein mögliches Arbeitslosengeld auswirkt. Eine weitere Überlegung für ihn ist eine Klage, sofern die Sozialauswahl nicht korrekt ist. Herr N. fragt, wie seine Erfolgsaussichten sind.
Der Umstand allein, dass Herr N. eine Abfindung erhält, hätte nur dann ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs zur Folge, wenn die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten würde. Anderenfalls beeinträchtigt die Abfindung mit einem halben Monatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit den Bezug von Arbeitslosengeld wie im Fall von Herrn N. nicht. Bei einer höheren Abfindung stellt sich allerdings das Problem, dass eine einvernehmliche Aufhebung zu einer Sperrfrist beim Arbeitslosengeld führen kann.
Sollte Herr N. sich entscheiden, Klage zu erheben, müsste er Folgendes berücksichtigen: Die Aufstellung einer Namensliste durch Arbeitgeber und Betriebsrat verschlechtert seine Position im Prozess erheblich. Im Regelfall müsste der Arbeitgeber beweisen, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Steht der Arbeitnehmer jedoch auf einer Namensliste, wird kraft Gesetzes (§1, Abs. 5 Kündigungsschutzgesetz, KSchG) vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Der Arbeitnehmer muss diese Vermutung widerlegen. Das ist schwierig für ihn.
Bei jeder betriebsbedingten Kündigung muss eine Sozialauswahl erfolgen. In diese sind alle vergleichbaren Kollegen einzubeziehen. Vorrangig ist dem Mitarbeiter zu kündigen, der sozial am wenigsten schutzbedürftig ist. Kriterien hierfür sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung. Im Fall einer Namensliste werden die Rechte des am stärksten Schutzbedürftigen erheblich eingeschränkt, indem die Sozialauswahl nur auf “grobe Fehlerhaftigkeit” überprüft werden kann (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG).
Der Umstand, dass Herr N. eine längere Betriebszugehörigkeit als seine Kollegen hat und ihn Unterhaltspflichten für drei Personen treffen, führt nicht zwingend dazu, dass die Sozialauswahl grob fehlerhaft wäre. Das Bundesarbeitsgericht erlaubt es, Altersgruppen zu bilden und aus diesen jeweils einen gleichen prozentualen Anteil von Arbeitnehmern zu entlassen. Damit soll die Altersstruktur im Unternehmen erhalten werden. Die Sozialauswahl muss dann nur noch innerhalb der jeweiligen Altersgruppe erfolgen. Gibt es neben Herrn N. in seiner Altersgruppe weitere Mitarbeiter mit vergleichbaren Unterhaltspflichten, ist die Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft.
Unterliegt Herr N. im Prozess, verliert er sowohl den Arbeitsplatz als auch die Abfindung. Herr N. muss demnach vor einer Entscheidung alle relevanten Aspekte sorgfältig bedenken und die Chancen und Risiken von Abfindungsangebot und Klage sehr genau gegeneinander abwägen.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt