Herr J. hat erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Banken. Diese nehmen daher im Wege der Zwangsvollstreckung Zugriff auf sein Arbeitseinkommen. Herr J. erhält laut Tarifvertrag ein jährliches Urlaubsgeld von rund 3.500 Euro brutto. Der Leser fragt, ob auch das Urlaubsgeld der Pfändung unterliege oder ob es ihm in voller Höhe verbleibe (Urlaubsgeld vor Pfändung sicher?).
Arbeitseinkommen unterliegt grundsätzlich der Pfändung durch Gläubiger des Arbeitnehmers. Dies gilt jedoch nicht einschränkungslos. Insbesondere gibt es unpfändbare Freibeiträge, die dem Schuldner und seinen Angehörigen das Existenzminimum sichern und einen Anreiz, den Arbeitsplatz nicht aufzugeben, schaffen sollen. Urlaubsgeld, das den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt, ist nach der Zivilprozessordnung (§ 850a Abs. 2 ZPO) sogar insgesamt unpfändbar.
Das Urlaubsgeld ist aber vom Urlaubsentgelt strikt zu unterscheiden. Letzteres bezeichnet das während des Urlaubs fortgezahlte Gehalt. Dieses unterliegt, im Rahmen der Freigrenzen, der Pfändung. Urlaubsgeld ist eine darüber hinausgehende Leistung (Sonderzuwendung), sie dient als Zuschuss für erhöhte Aufwendungen während des Urlaubs. Wegen dieses Zwecks soll es aus sozialen Gründen dem Arbeitnehmer und nicht dessen Gläubigern zukommen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Geld dann tatsächlich für die Erholung oder für andere Zwecke verwendet wird. Dass das Urlaubsgeld nur unpfändbar ist, soweit es den „Rahmen des Üblichen“ nicht übersteigt, hat folgenden Grund: Es soll verhindert werden, dass reguläres Einkommen als Urlaubsgeld verschleiert wird, um es dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Für die Beantwortung der Frage, was üblich ist, kommt es nicht auf das durchschnittlich in Deutschland gezahlte Urlaubsgeld an, sondern auf die Verhältnisse in vergleichbaren Unternehmen. Da sich im Fall von Herrn J. Anspruch und Höhe der Sonderzahlung aus dem Tarifvertrag ergeben, ist von deren Üblichkeit auszugehen. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 26.04.2012 (Aktenzeichen IX ZB 239/10) entschieden hat, besteht Pfändungsschutz auch dann, wenn sich das im Rahmen des Üblichen bewegende Urlaubsgeld eine erhebliche Höhe erreicht und der Schuldner auch sonst ein hohes Arbeitseinkommen hat. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig und erlaubt keine Abweichung im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit. Ob der weitgehende Schutz des Urlaubsgeldes rechtspolitisch angemessen und aufrechtzuerhalten sei, habe, so der BGH, allein der Gesetzgeber zu entscheiden. Das Urlaubsgeld kommt somit in voller Höhe Herrn J. zugute, seine Gläubiger gehen leer aus.
Die oben zitierte BGH-Entscheidung ist auch deshalb von großer praktischer Bedeutung, weil entschieden wurde, dass unpfändbareres Urlaubsgeld nicht in die Insolvenzmasse falle. Somit steht auch einem Arbeitnehmer, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das Urlaubsgeld in voller Höhe zu, soweit im Rahmen des Üblichen, und wird nicht an seine Gläubiger verteilt.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt