Am 04.07.2013 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema beschäftigt, ob der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer, der einen Verkehrsunfall verursacht hat, die Erstattung der Selbstbeteiligung in der Haftpflichtversicherung verlangen kann.
Herr K. ist als angestellter Taxifahrer in Offenbach tätig. An einer unbeschilderten Kreuzung übersah er einen von rechts kommenden Wagen, es kam zur Kollision. Der Schaden am Fahrzeug des Unfallgegners beläuft sich auf rund 4.000 Euro. Der Taxiunternehmer hat mit KFZ-Haftpflichtversicherer einen Selbstbehalt in Höhe von 1.000 Euro vereinbart. Der Versicherer reguliert den Schaden und macht gegenüber dem Taxiunternehmer den Selbstbehalt geltend. Dieser wiederum verlangt von Herrn K. die 1.000 Euro. Der Leser fragt, ob er zahlen muss (Wer übernimmt Selbstbehalt?).
Herr K. hat durch sein sorgfaltswidriges Verhalten im Straßenverkehr einen Schaden zu Lasten seines Arbeitgebers, der den Selbstbehalt in der KFZ-Haftpflichtversicherung tragen muss, verursacht. Auch in Arbeitsverhältnissen gilt, dass den Schädiger bei Verschulden eine Einstandspflicht trifft. Zum Schutz des Arbeitnehmers hat die Rechtsprechung jedoch Haftungserleichterungen geschaffen. Demnach hängt die Haftung vom Grad des Verschuldens ab. Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit trifft ihn die volle Haftung, bei leichter Fahrlässigkeit entfällt sie hingegen.
Bei der „mittleren Fahrlässigkeit“ findet eine Verteilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer statt, wobei die Quote vom Einzelfall abhängt. Ein Vorfahrtverstoß dürfte in aller Regel in den Bereich der mittleren, wenn nicht sogar der groben Fahrlässigkeit fallen. Demnach scheint Herr K. den Selbstbehalt zumindest anteilig zu tragen müssen.
Dies ist jedoch nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13.12.2012, Aktenzeichen 8 AZR 432/11, BAG) nicht der Fall. Demnach kann der Arbeitgeber einen Selbstbehalt, den er mit dem Haftpflichtversicherer vereinbart hat, nicht gegenüber dem Fahrer geltend machen. Das BAG begründet dies mit § 114 Abs. 2 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), wonach ein Versicherungsnehmer eine mitversicherte Person nicht mit dem Selbstbehalt belasten kann. Herr K. ist als Fahrer Mitversicherter. Die zwingende Vorschrift, die dem Schutz des Mitversicherten diene, gelte, so das BAG, auch dann, wenn der Versicherte Arbeitgeber des Mitversicherten ist. Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung werden somit überlagert. Auch durch eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag kann von diesem Verbot, den Arbeitnehmer mit in die Pflicht zu nehmen, nicht abgewichen werden. Eine solche Klausel wäre unwirksam. Der Arbeitgeber kann somit von Herrn K. nicht die Zahlung von 1.000 Euro verlangen.
Anders verhält es sich mit dem Schaden am Taxi. Hier kommt eine Beteiligung von Herrn K. an den Reparaturkosten oder, im Fall der Vollkaskoversicherung, an der Selbstbeteiligung nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung in Betracht.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt