Am 02.12.2010 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Notwendige Beteiligung des Betriebsrates bei Kürzung des Weihnachtsgeldes“ beschäftigt.
Frau J. ist als kaufmännische Angestellte in einem Unternehmen in Mainz tätig. Der Arbeitgeber zahlt jährlich ein Weihnachtsgeld, dessen Höhe von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig ist. Mitarbeiter, die weniger als fünf Jahre beschäftigt sind, erhalten ein halbes Monatsgehalt, die übrigen Arbeitnehmer ein volles Monatsgehalt. Die Auszahlung erfolgt mit dem Novembergehalt. Die Geschäftsleitung wies in jedem Jahr darauf hin, dass die Zahlung freiwillig erfolge und keinen Rechtsanspruch begründe. In diesem Jahr beschloss das Unternehmen, das Weihnachtsgeld bei jedem Mitarbeiter um pauschal 200 Euro zu kürzen. Der Betriebsrat wurde hierüber zuvor nicht in Kenntnis gesetzt. Frau J. fragt, ob sie die Kürzung des Weihnachtsgeldes hinnehmen muss.
Ob Frau J. einen Anspruch auf Weihnachtsgeld in der bisherigen Höhe hat, hängt zunächst davon ab, welche Regelungen sich hierzu im Arbeitsvertrag finden. Sieht dieser einen Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht vor, kann Frau J. ihre Forderung nach einem höheren Weihnachtsgeld nicht auf den Arbeitsvertrag stützen. Eine sogenannte betriebliche Übung scheidet ebenfalls aus, weil der Arbeitgeber stets auf die Freiwilligkeit der Zahlung hingewiesen hat. Unterstellt, dass auch kein Tarifvertrag, der Regelungen zum Weihnachtsgeld beinhaltet, Anwendung findet, kommt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ins Spiel.
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten. Einzelheiten hierzu finden sich im Betriebsverfassungsgesetz. Darin sind in einem Katalog die Angelegenheiten aufgelistet, in denen der Betriebsrat mitbestimmen kann (§ 87 BetrVG). Hierzu gehören auch Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Unter Lohn sind dabei alle Vergütungsbestandteile zu verstehen, somit auch Gratifikationen wie Weihnachtsgeld.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist dabei mit Rücksicht auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit begrenzt. So liegt es allein im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine freiwillige Zahlung leistet und welches finanzielle Volumen er zur Verfügung stellt. Er bestimmt auch, welchen Personenkreis er begünstigen will.
Der Betriebsrat hat jedoch bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze mitzubestimmen. Im vorliegenden Fall kam es durch die pauschale Kürzung um 200 Euro zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze. Die Unternehmensleitung hätte sich daher zunächst an den Betriebsrat wenden müssen, um dessen Zustimmung einzuholen. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts hat zur Folge, dass die Kürzung unwirksam ist. Frau J. hat somit einen Anspruch auf Nachzahlung der 200 Euro.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt