Am 22.04.2010 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Pflicht zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen“ beschäftigt.
Herr E. ist in einem Unternehmen der chemischen Industrie beschäftigt. Vor kurzem wurde eine neue Anlage in Betrieb genommen, die aus technischen Gründen ununterbrochen laufen muss. Der Arbeitgeber hat deshalb angeordnet, dass Herr E. und einige andere Kollegen in Zukunft abwechselnd an Sonntagen arbeiten müssen. Ein Tarifvertrag findet keine Anwendung, ein Betriebsrat besteht nicht im Unternehmen. In den Arbeitsverträgen ist hinsichtlich der Arbeitszeit lediglich geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt. Herr E. fragt, ob die Sonntagsarbeit ohne seine Zustimmung überhaupt angeordnet werden darf.
Die Pflichten des Arbeitnehmers sind in der Regel im Arbeitsvertrag nur allgemein umschrieben und bedürfen daher im Arbeitsalltag der Konkretisierung. Dies erfolgt durch die Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers, auch Direktionsrecht genannt. Es ist in der Gewerbeordnung geregelt (§ 106 GewO). Der Arbeitgeber ist danach berechtigt, durch einseitige Weisungen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Hierzu gehört auch die Festlegung der Tage, an denen die Beschäftigten zu arbeiten haben.
Das Weisungsrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern hat eine Vielzahl von Grenzen. Diese können sich aus dem Gesetz, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung (zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) oder dem Arbeitsvertrag ergeben. Gemäß dem Arbeitszeitgesetz (§ 9 ArbZG) dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Von diesem Verbot gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen.
So soll die zuständige Behörde die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen erlauben, wenn die Arbeiten etwa aus chemischen oder technischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang erfordern (§ 13 Abs. 4 ArbZG). Wenn der Arbeitgeber eine solche Erlaubnis eingeholt hat, steht das Gesetz der Anweisung zur Sonntagsarbeit somit nicht entgegen.
Auch aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich keine Einschränkung des Weisungsrechts. Für einen Ausschluss der Befugnis des Arbeitgebers zur Anordnung von Sonntagsarbeit müssen sich nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 15. September 2009, 9 AZR 757/08) konkrete Anhaltspunkte finden lassen.
Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Im Arbeitsvertrag von Herrn E. ist lediglich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit geregelt, nicht aber ihre Verteilung auf bestimmte Wochentage.
Das Weisungsrecht findet schließlich seine Schranken in dem Grundsatz des “billigen Ermessens”. Das heißt, dass jede Anordnung des Arbeitgebers unter Abwägung seiner Interessen einerseits und der Interessen des Arbeitnehmers andererseits zu erfolgen hat. Es handelt sich dabei stets um eine Einzelfallentscheidung, die im Wege einer Klage einer Überprüfung durch das Arbeitsgericht unterworfen werden kann.
Wie die Interessenabwägung im vorliegenden Fall von Herrn E. ausfällt, kann ohne weitere Informationen nicht beurteilt werden. In die Abwägung einzubeziehen sind auf der einen Seite zum Beispiel wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers und auf der anderen Seite auch die familiäre Situation von Herrn E.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt