Am 12.02.2009 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Abmahnung wegen Verspätung“ beschäftigt.
Frau K. aus Wiesbaden ist Berufspendlerin. Wegen häufiger Verspätungen bei der Bahn ist sie in letzter Zeit einige Male zu spät an ihrem Arbeitsplatz in Frankfurt erschienen. Ihr Vorgesetzter bittet sie deshalb zu einem Personalgespräch, in dem Frau K. den Grund für die Unpünktlichkeit erklärt. Einige Tage später erhält sie von ihrem Vorgesetzten eine Abmahnung. Frau K. ist der Ansicht, die Abmahnung sei ungerechtfertigt, da sie schließlich keine Schuld an der Unpünktlichkeit der Bahn trage. Sie fragt, ob sie die Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen kann.
Bei der Abmahnung handelt es sich um eine – gesetzlich nicht geregelte – arbeitsrechtliche Maßnahme von großer praktischer Bedeutung. Die Abmahnung hat zwei Funktionen: Zum einen bringt der Arbeitgeber mit ihr zum Ausdruck, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt (Rügefunktion). Zum anderen dient sie der Warnung des Vertragspartners vor einer drohenden Kündigung im Wiederholungsfall (Warnfunktion).
Im Hinblick auf die weitreichenden Folgen des Arbeitsplatzverlustes ist eine Kündigung stets das äußerste Sanktionsmittel. Einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber grundsätzlich zunächst mit einer Abmahnung entgegentreten. Dem Mitarbeiter soll damit die Möglichkeit gegeben werden, sein Verhalten zu ändern und seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Lässt sich der Arbeitnehmer jedoch ein weiteres Fehlverhalten zuschulden kommen, das der abgemahnten Pflichtverletzung gleichartig ist, droht ihm die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
In bestimmten, schwerwiegenden Fällen darf der Arbeitnehmer jedoch nicht damit rechnen, eine zweite Chance zu bekommen. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich. So rechtfertigen zum Beispiel Diebstahl oder Betrug zu Lasten des Arbeitgebers in aller Regel die Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung.
Eine Abmahnung muss bestimmten Anforderungen genügen. Damit der Arbeitnehmer sich gegebenenfalls zur Wehr setzen kann, muss das gerügte Verhalten inhaltlich und zeitlich hinreichend konkret in der Abmahnung beschrieben werden. Zudem muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Der Arbeitnehmer muss vor Ausspruch der Abmahnung zu den Vorwürfen angehört werden.
Ist der Arbeitnehmer der Ansicht, die Abmahnung sei zu Unrecht erfolgt, und ist der Arbeitgeber nicht zur Rücknahme bereit, so kann der Beschäftigte eine Gegendarstellung abgeben. Diese muss zur Personalakte genommen werden. Des weiteren besteht die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht auf Rücknahme und Beseitigung einer ungerechtfertigten Abmahnung zu klagen.
Der Arbeitnehmer sollte jedoch bedenken, dass ein Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber häufig zu einer dauerhaften Belastung des Arbeitsverhältnisses führen kann. Die Berechtigung einer früheren Abmahnung wird ohnehin in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer darauf gestützten später ausgesprochenen Kündigung überprüft.
Im Fall von Frau K. ist es fraglich, ob die Klage Erfolg haben würde. Der Arbeitnehmer muss nämlich alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den pünktlichen Arbeitsbeginn sicherzustellen. Frau K. hätte daher zum Beispiel in Kenntnis der Verspätungsgefahr eine frühere Verbindung in Anspruch nehmen müssen.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt