Am 14.08.2008 haben wir uns in der Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Thema „Kündigung wegen Diebstahls (verhaltensbedingte Kündigung)“ beschäftigt.
Frau L. arbeitet seit einem Jahr als Kassiererin in einem Lebensmittelmarkt. Sie nimmt häufiger Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdaten abgelaufen sind, mit nach Hause, da diese ansonsten weggeworfen würden. Eines Tages beobachtet der Geschäftsführer, der zufällig in der Filiale anwesend ist, wie Frau L. einen Becher Joghurt in ihre Tasche steckt. Er stellt Frau L. zur Rede und erklärt, ihr Verhalten werde noch Konsequenzen haben. Drei Wochen später geht Frau L. ein Schreiben zu, wonach das Arbeitsverhältnis “außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich” gekündigt werde. Frau L. fragt, ob die Kündigung wirksam ist.
Ein Arbeitsverhältnis kann fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Gekündigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen – nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB).
Ein Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, selbst wenn es sich um eine geringwertige Sache handelt.
Der Arbeitgeber von Frau L. hat jedoch versäumt, die Kündigung rechtzeitig auszusprechen. Die Kündigung muss nämlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, nachdem der Kündigungsberechtigte (hier der Geschäftsführer) von dem maßgeblichen Vorfall Kenntnis erlangt hat, dem Arbeitnehmer zugehen (§ 626 Abs. 2 BGB). Wird die Frist nicht eingehalten, so ist die fristlose Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam. Das Arbeitsverhältnis von Frau L. wurde somit nicht fristlos beendet.
Das Arbeitsverhältnis könnte jedoch aufgrund der “hilfsweise ordentlich” erklärten Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist enden. In diesem Fall gilt die Zwei-Wochen-Frist nicht. Für den Fall, dass in dem Betrieb, in dem Frau L. tätig ist, mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, unterliegt sie nämlich dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
Das Arbeitsverhältnis kann somit nur bei Vorliegen eines betriebs-, personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes beendet werden. Die Mitnahme von Gegenständen, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten und somit einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Dies gilt selbst dann, wenn der Gegenstand einen geringen Wert hat und darüber hinaus sogar, wenn er wie ein Joghurt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum unverkäuflich ist. Es ist nämlich allein dem Arbeitgeber als Eigentümer überlassen, wie er mit nichtverkäuflicher Ware verfährt.
Grundsätzlich muss einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung vorausgegangen sein. Dem Arbeitnehmer soll dadurch die Chance gegeben werden, sein Verhalten zu ändern und so seinen Arbeitsplatz zu bewahren.
Die Abmahnung ist jedoch entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer nicht mit Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei einem Diebstahl regelmäßig der Fall. Die Umstände des Einzelfalls können aber in Ausnahmefällen eine Abmahnung erforderlich machen. Es besteht somit die Möglichkeit, dass die gegen Frau L. ausgesprochene Kündigung mangels Abmahnung unwirksam sein könnte.
Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt