„Streit um die Sonderzahlung (Bonus, Provision, Tantieme usw.) – gute Chancen für den Arbeitnehmer“

Viele Arbeitgeber versprechen ihren Mitarbeitern als Leistungsanreiz Sonderzahlungen (zum Beispiel einen Bonus, eine Gratifikation oder eine Tantieme). Kommt es zu Missstimmungen, zum Bespiel weil der Vorgesetzte mit den Leistungen unzufrieden ist oder das Arbeitsverhältnis von einer der Parteien gekündigt wurde, kann es passieren, dass das Unternehmen die Zahlung verweigert. Der Arbeitgeber beruft sich auf Klauseln im Arbeitsvertrag, die dem Anspruch angeblich entgegenstehen. Der unberatene Arbeitnehmer wird deshalb unter Umständen davon absehen, seinen Anspruch durchzusetzen. Viele dieser Klauseln erweisen sich indes als unwirksam. Es lohnt sich daher oftmals, fachlichen Rat bei einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt einzuholen. Im Folgenden sollen einige typische Fälle näher beleuchtet werden.

Freiwilligkeitsvorbehalt

Ein typischer Freiwilligkeitsvorbehalt lautet zum Bespiel wie folgt:

„Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und aus der kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.“

Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [BAG] (vgl. Urteile vom 24.10.2007, Aktenzeichen 10 AZR 825/06 und vom 30.07.2008, Aktenzeichen 10 AZR 606/07) unwirksam, wenn an anderer Stelle im Arbeitsvertrag die Sonderzahlungen zugesagt wird. Der Arbeitgeber kann somit nicht auf der einen Seite eine Leistung zusagen und auf der anderen Seite den Anspruch hierauf wieder ausschließen. Die Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehaltes hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag zugesagte Leistung verlangen kann.

Freiwilligkeitsvorbehalte scheitern nicht selten daran, dass sie zu weit gefasst sind. Ein Beispiel hierfür lautet:

„Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 14.09.2011 (10 AZR 526/10) eine ähnliche Klausel für unwirksam erklärt. Grund hierfür ist, dass die Formulierung, was unzulässig ist, ihrem Wortlaut nach Ansprüche auf alle zukünftigen, im Vertrag nicht unmittelbar vorgesehenen Leistungen ausschließt. Das beeinträchtige, so das BAG, den Arbeitnehmer unangemessen.

Widerrufsvorbehalt

In einigen Anstellungsverträgen findet sich ein Widerrufsvorbehalt. Der Arbeitgeber will sich damit das Recht vorbehalten, die Zusage einer Sonderzahlung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen zu können. Ein solcher Widerrufsvorbehalt ist aber nur dann wirksam, wenn die Gründe, aus denen von ihm Gebrauch gemacht werden kann, genannt werden (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts [BAG] vom 12.01.2005, Aktenzeichen 5 AZR 364/04). Ist dies nicht der Fall, so ist die Klausel unwirksam und der Arbeitgeber hat nicht die Möglichkeit, sich seiner Zahlungspflicht zu entledigen.

Aber selbst wenn der Widerrufsvorbehalt den genannten Anforderungen standhält und wirksam ist, muss die Ausübung des Widerrufs im Einzelfall „billigem Ermessen“ entsprechen (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2012, 5 AZR 651/10). Der Arbeitgeber ist somit nicht in jedem Fall befugt, von einem wirksamen Widerrufsvorbehalt auch Gebrauch zu machen, maßgeblich sind die jeweiligen Umstände.

Stichtagsklauseln

Mit Hilfe einer Stichtagsklausel versucht der Arbeitgeber solchen Arbeitnehmern eine Sonderzahlung vorzuenthalten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Unternehmen nicht mehr angehören bzw. deren Arbeitsverhältnis bereits gekündigt wurde. Eine solche Stichtagsklausel lautet beispielsweise wie folgt:

„Die Gratifikation wird nur an den Mitarbeiter ausgezahlt, dessen Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag noch besteht und ungekündigt ist.“

Dies soll an einem Beispiel illustriert werden: Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass die Gratifikation für das Geschäftsjahr, das am 31.12. endet, am 31.03. des Folgejahres ausgezahlt wird. Der Arbeitnehmer hat sein Arbeitsverhältnis zum 31.01. des Folgejahres gekündigt. Aus der Stichtagsklausel scheint zu folgen, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung damit entfällt. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn die Gratifikation allein der Belohnung der Betriebstreue dient (vgl. hierzu das Urteil des Bundesarbeitsgericht [BAG] vom 18.01.2012, Aktenzeichen 10 AZR 667/10). Wird sie hingegen (auch) für erbrachte Arbeitsleitung gezahlt, was der Regelfall sein dürfte, ist die Stichtagsklausel unwirksam (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 18.01.2012, Aktenzeichen 10 AZR 612/10). Dann hätte der Arbeitnehmer in unserem Beispiel trotz der Kündigung Anspruch auf Zahlung der Gratifikation.

Im oben genannten Beispiel lag der Stichtag (31.03.) außerhalb des für die Sonderzahlung maßgeblichen Bezugszeitraums (Januar bis Dezember des Vorjahres). In solchen Fällen ist eine Stichtagsklausel, die zum Entzug einer Sonderzahlung, die (auch) der Vergütung geleisteter Arbeit dient, grundsätzlich unwirksam. Aber auch in folgender Konstellation kann eine Stichtagsklausel unwirksam sein. Im Arbeitsvertrag heißt es:

„Die Zahlung der Gratifikation erfolgt nur an Mitarbeiter, die sich am 31.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.“

Hat der Arbeitnehmer in diesem Beispielsfall das Vertragsverhältnis vor dem 31.12. gekündigt, stünde ihm nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages eine Sonderzahlung für das betreffende Jahr nicht zu. Ob die Klausel aber überhaupt wirksam ist, hängt davon ab, woran die Sonderzahlung anknüpft. Dient sie als Gegenleistung für kontinuierlich erbrachte Arbeitsleistung, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [BAG] (Urteil vom 13.11.2013, Aktenzeichen 10 AZR 848/12) kein Grund, sie bei unterjährigem Verlassen des Unternehmens vollständig auszuschließen. Vielmehr besteht bei Ausscheiden vor dem 31.12. ein anteiliger Anspruch („pro rata temporis“). Hängt die Sonderzahlung hingegen davon ab, dass zum Stichtag bestimmte persönliche Ziele oder Unternehmensziele erreicht sind, kann es – je nach Fallgestaltung – gerechtfertigt sein, bei vorzeitigem Ausscheiden den Anspruch vollständig entfallen zu lassen (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 06.05.2009, 10 AZR 443/08 und Urteil vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12).

Etwas anderes gilt, wenn die Stichtagsregelung Bestandteil eines Tarifvertrages ist, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die den Anspruch auf eine Sonderzahlung davon abhängig macht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag im Folgejahr noch besteht, kann wirksam sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 27.06.2018 (10 AZR 290/17) entschieden. Grund hierfür ist, dass den Tarifvertragsparteien, die den Inhalt der Regelungen aushandeln, ein größerer Gestaltungsspielraum eingeräumt wird als dem Arbeitgeber, der Vertragsbedingungen, ohne dass eine andere Partei auf deren Inhalt Einfluss nehmen kann, einseitig stellt.

Rückzahlungsklauseln

Um den Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und ihn von einer Eigenkündigung abzuhalten, sehen einige Arbeitsverträge Rückzahlungsklauseln vor. Demnach soll der Arbeitnehmer verpflichtet sein, eine erhaltene Sonderzahlung zurückzuzahlen, wenn er bis zu einem bestimmten Stichtag (z. B. 31.03. des Folgejahres) aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Rückzahlungsklauseln haben eine vergleichbare Wirkung wie Stichtagsklauseln. Sie können dazu führen, dass der Arbeitnehmer von einer Kündigung Abstand nimmt, um die Sonderzahlung zu erhalten (bei der Stichtagsklausel) bzw. diese nicht zurückerstatten zu müssen (bei der Rückzahlungsklausel).

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 27.06.2018 (10 AZR 290/17) ausgeführt, dass die Beurteilung der Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln denselben Maßstäben unterfällt wie die von Stichtagsklauseln (s. o.). Das kann, je nach Fallgestaltung, zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel führen.
Das soll an einem Beispiel erläutert werden: Dem Arbeitnehmer wird vertraglich ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes zugesagt, das im November auszuzahlen ist. Der Arbeitsvertrag bestimmt, dass das Weihnachtsgeld zurückzuzahlen ist, wenn der Arbeitnehmer vor dem 01.04. des Folgejahres auf eigenen Wunsch oder infolge eigenen Verschuldens aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Unterstellt, dass das Weihnachtsgeld nicht (allein) der Belohnung der Betriebstreue dienen soll, sondern (auch) eine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstellt, ist die Rückzahlungsklausel im Beispielsfall unwirksam. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis z. B. mit Wirkung zum 31.01. des Folgejahres selbst kündigt, das im Vorjahr bezogene Weihnachtsgeld nicht zurückzahlen muss.

In Bezug auf Rückzahlungsklauseln gilt das, was oben zu Stichtagsklauseln in Tarifverträgen gesagt wurde, entsprechend. Demnach kann eine Regelung in einem Tarifvertrag, die den Arbeitnehmer zur Rückerstattung einer Sonderzahlung verpflichtet, wenn sein Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Stichtag im Folgejahr endet, wirksam sein.

Sonderzahlung nach Ermessen des Arbeitgebers

Es gibt Arbeitsverträge, in denen eine Sonderzahlung dem Grunde nach zugesagt wird, deren konkrete Höhe aber nicht festgelegt wird. Eine solche Klausel kann zum Beispiel wie folgt lauten:

„Zusätzlich zum Grundgehalt wird eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird.“

Durch eine solche vertragliche Regelung wird dem Arbeitgeber ein sog. einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB eingeräumt. Dass sich der Arbeitgeber das Recht vorbehält, über die Höhe der Sonderzahlung jeweils neu zu bestimmen, ist zulässig, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mehrfach (z. B. mit Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 376/17) entschieden hat. Der Arbeitnehmer wird hierdurch nicht rechtlos gestellt. Der Arbeitgeber darf die Höhe nämlich nicht willkürlich festlegen, sondern seine Entscheidung muss „billigem Ermessen“ entsprechen. Ob dies der Fall ist, unterliegt im Fall einer Klage des Arbeitsnehmers der vollen gerichtlichen Überprüfung. Kommt das Gericht zu der Entscheidung, die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers entspreche nicht billigem Ermessen, so muss es die Höhe der Sonderzahlung selbst festlegen.
So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 03.08.2016 (10 AZR 710/14) in Fall des Mitarbeiters einer Großbank entschieden, dessen Bonus von der Arbeitgeberin auf „null“ festgesetzt worden war. Weil die beklagte Bank nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht darlegen konnte, dass die vollständige Versagung einer Bonuszahlung billigem Ermessen entspreche, gab es der Vorinstanz (Hessisches Landesarbeitsgericht) auf, die Bonushöhe durch Urteil festzulegen.


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