Urlaub trotz fristloser Kündigung?

Am 19.08.2016 haben wir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Frage behandelt, ob sich der Arbeitgeber bei fristloser Kündigung der Zahlung der Urlaubsabgeltung entziehen kann.

Frau K. arbeitete mehr als 20 Jahre in einem kleinen Betrieb im Umland von Frankfurt. Im Januar 2015 sprach ihr Arbeitgeber wegen eines angeblichen “Griffs in die Kasse” die außerordentliche fristlose Kündigung aus. Für den Fall, dass die fristlose Kündigung unwirksam sein sollte, erklärte der Arbeitgeber hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 31. August. Außerdem nahm er in das Kündigungsschreiben auf, dass er Frau K. für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung den ihr für das Jahr 2015 zustehenden Urlaub von 25 Arbeitstagen mit sofortiger Wirkung gewähre. Urlaubsentgelt zahlte er aber nicht. Vor kurzem entschied das Arbeitsgericht, dass zwar die fristlose Kündigung unwirksam ist, die fristgerechte zum 31. August 2015 jedoch Bestand hat. Die Leserin fragt, ob sie Anspruch auf Abgeltung der erwähnten 25 Urlaubstage habe.

Für den Fall, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht wirksam gewährt haben sollte, hätte Frau K., nachdem das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2015 beendet wurde, Anspruch auf dessen finanzielle Abgeltung. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber trotz Ausspruchs einer fristlosen Kündigung noch Urlaub erteilen konnte. In der Vergangenheit bejahte das Bundesarbeitsgericht dies in ständiger Rechtsprechung. Diese Rechtsprechung begünstigte die Arbeitgeber, weil auf diese Weise verhindert wurde, dass sie, wenn sich die Kündigung später als unwirksam erwies, neben der Nachzahlung des Gehaltes unter Umständen auch noch Urlaubsabgeltung leisten mussten.

Hiervon ist das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 10. Februar 2015 (Aktenzeichen 9 AZR 455/13) ausdrücklich abgerückt. Nunmehr gilt, dass der Arbeitgeber für die Zeit nach Zugang einer fristlosen Kündigung nur dann wirksam Urlaub gewährt, wenn er die Urlaubsvergütung vor Beginn des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Begründet wird dies vom Bundesarbeitsgericht unter anderem damit, dass der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeit gerichtet ist, sondern auch eine Urlaubsvergütung vorschreibt. Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs sicher sein muss, die Urlaubsvergütung zu erhalten. Dies ist bei einer vorsorglichen Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung nicht der Fall. Der Arbeitnehmer weiß erst dann, ob ihm Urlaubsvergütung zusteht, nachdem sich entschieden hat, ob die Kündigung wirksam ist.

Dies kann im Fall eines Rechtsstreits über die Kündigung erst nach vielen Monaten oder sogar einigen Jahren der Fall sein. Der Arbeitnehmer ist jedoch, so das Bundesarbeitsgericht, in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Dies erklärt, warum das Gericht die wirksame Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung von der Zahlung beziehungsweise der vorbehaltlosen Zusage der Urlaubsvergütung abhängig macht. Dies hat der Arbeitgeber hier nicht getan, weshalb Frau K. Anspruch auf Abgeltung der 25 Urlaubstage hat.

Wolfgang Strba,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Frankfurt